: Kinkel bezweifelt Erfolg der Verfahren gegen Ex-DDR-Führung
Bonn. Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) bezweifelt den Erfolg der Gerichtsverfahren gegen die Mitglieder der ehemaligen DDR- Führung. Das bundesdeutsche Rechtssystem sei auf den Einzelfall zugeschnitten, nicht aber auf die Kriminalität eines Staates, sagte Kinkel am späten Dienstag abend bei der Debatte über den Justizetat im Bundestag.
„Wir versuchen, dieses Unrecht zu individualisieren, indem wir Honecker, Mielke, Mittag und so weiter verfolgen und anklagen. Ob wir damit jedoch das gesamte Unrecht erfassen können, bezweifle ich.“
Zu den besonderen Problemen einer erfolgreichen Verfolgung der sogenannten Regierungskriminalität zählte Kinkel das hohe Alter und den schlechten Gesundheitszustand der Betroffenen sowie die Kollektivierung von Verantwortung in der ehemaligen DDR-Führung. Auch das Politbüro der SED sei ein Kollektiv gewesen, in dem niemand allein Verantwortung habe tragen wollen. Deshalb sei es schwer, individuelle Schuld nachzuweisen. Ähnliches gelte für den Schießbefehl. Es müsse eine eindeutige „Handlungskette“ zwischen Anordnungen des Politbüros und dem tödlichen Schuß an der Grenze nachgewiesen werden.
Gerade weil das Recht in der DDR „eine Wertigkeit von minus null“ gehabt habe, müsse die Justiz sich streng an die Prinzipien des Rechtsstaates bei der Verfolgung von Straftaten halten, forderte Kinkel. Er teilte mit, daß er seinen Plan für eine Amnestie ehemaliger DDR-Spione zu den Akten gelegt habe.
Eine solche Strafverschonung werde von den Opfern der Stasi-Bespitzelung nicht akzeptiert. Ohne diese Akzeptanz verliere eine Amnestie aber ihre friedenstiftende Wirkung. „Also darf sie nicht gemacht werden“, sagte der Bundesjustizminister. dpa
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