Kinder fragen, die taz antwortet: Was sehen blinde Menschen?
Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Berfin, 5 Jahre alt.
Wir wollen von Kindern wissen, welche Fragen sie beschäftigen. Jede Woche beantworten wir eine. Diese Frage kommt von Berfin, 5 Jahre alt.
Liebe Berfin, diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, auch für Erwachsene nicht. Manche Menschen werden blind geboren, während andere aufgrund von Krankheiten oder Verletzungen erblindet sind. Einige blinde Menschen können hell und dunkel unterscheiden, andere sehen nur einen ganz kleinen Ausschnitt, können damit aber sogar lesen. Ein Mensch, der im Laufe seines Lebens das Augenlicht verliert, kann Erinnerungen an Farben, Licht und Bilder im Gehirn gespeichert haben.
Und es gibt Menschen, die ihr ganzes Leben schon blind sind, vollblind nennt man das. Vollblinde konnten noch nie etwas mit den Augen sehen.
Wie es ist, vollblind zu sein, weiß ich auch nicht. Daher habe ich Andrea Katemann aus Marburg angerufen. Sie ist ihr ganzes Leben schon blind. Ihr habe ich deine Frage gestellt.
Dieselbe Welt unterschiedlich wahrnehmen
Sie sagt, dass es für sehende Menschen bestimmt schwer ist, es sich vorzustellen, aber sie sieht tatsächlich nichts. Kein Licht und keine Farben, also kein Hell und Dunkel, auch kein Schwarz oder Weiß. Sie sieht einfach nichts. Es gibt keine Reize und Signale, die dann vom Gehirn verarbeitet werden. Für Vollblinde ist es so, als würde man fragen, was sie mit ihrem Ellbogen sehen.
Andrea sagt auch, sie habe keine Vorstellung davon, wie Farben aussehen. Sie weiß zwar, dass Basilikum und Spinat grün sind und Tomaten und Marienkäfer rot, aber nur, weil sie die Zuordnung der Farben auswendig gelernt hat.
Andrea nimmt die Welt mit ihren anderen Sinnen wahr. Mit dem Tastsinn, dem Gehör, dem Geschmack und dem Geruchssinn. Wenn Andrea schläft, träumt sie von Gerüchen, Geschmack und Gesprochenem. Ob es gerade hell oder dunkel ist, bekommt sie anders mit. Jetzt im Sommer spürt sie zum Beispiel morgens die Sonne auf ihrer Haut und hört die Tauben gurren. Da merkt sie, dass die Sonne aufgegangen ist und es hell ist.
Im Winter passiert es öfters, dass sie im Dunkeln sitzt. Manchmal ist sie morgens vor ihren Kollegen im Büro und fängt ohne Licht an zu arbeiten. Einen Unterschied macht das für sie nicht. Sie sagt, sie wisse überhaupt nicht, wo der Lichtschalter ist, weil sie den einfach nicht braucht. Wenn andere Kollegen reinkommen, ruft sie im Dunklen dann laut „Guten Morgen!“, damit sich keiner erschreckt.
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