: „Kinder beflügeln die Karriere“
Mütter in Führungspositionen sind hierzulande noch immer eine Seltenheit Eine aktuelle Studie zeigt: Kinder sind keineswegs unvereinbar mit weiblichen Karrieren. Sie können dem Aufstieg sogar einen Kick geben
taz: Frau Lukoschat, Sie haben 500 Mütter in Führungspositionen befragt. Hat die Geburt der Kinder ihrer Karriere einen Dämpfer verpasst?
Helga Lukoschat: Im Gegenteil: Die Kindern beflügeln ihre Karriere sogar. Erstens erfahren die Mütter, wie sehr sich Führungs- und Familienkompetenz gegenseitig anreichern. Im Umgang mit ihren Kindern lernen sie klarer zu handeln, davon profitieren sie im Beruf. Zweitens optimieren sie ihr Zeitmanagement. Sie reduzieren Zeitfresser wie Meetings, delegieren, lassen sich vertreten. Ihre Arbeit wird effizienter. Drittens gibt ihnen die Familie Kraft. Sie erleben sie nicht etwa als zusätzliche Belastung, sondern wertvolle Ressource, die hilft, Abstand zu halten von der Berufswelt.
Wie gelingt es diesen Müttern, ihre Interessen im Unternehmen durchzuboxen?
Sie gehen offensiv vor und präsentieren ihren Chefs selbst Lösungsmodelle: „So lange werde ich aussteigen, dieser Kollege kann mich vertreten, dieses und jenes kann ich delegieren, dieses flexible Arbeitszeitmodell möchte ich wählen.“ Wichtig dabei ist: Die Aushandlung mit dem Unternehmen muss ein Geben und Nehmen sein. Wenn das Unternehmen flexible Arbeitszeiten ermöglicht, muss die Managerin ihm absolute Zuverlässigkeit zurückgeben. Die meisten von uns befragten Frauen waren bereits in Führungspositionen, als sie ihre Kinder bekommen haben. Das hat ihre Verhandlungsposition gegenüber dem Unternehmen sicher gestärkt.
Ein Kapital, über das Frauen in mittleren Positionen nicht verfügen …
Ja, das ist ein Problem. Zumal Frauen in Führungspositionen ohnehin mehr Gestaltungsfreiräume haben. Insofern sind ihre Erfahrungen nur begrenzt übertragbar. Das sollte ein Ansporn für junge Frauen sein, dorthin zu streben – und statt Kunstgeschichte mal Ingenieurswissenschaften zu studieren.
Mit welchen Problemen haben die Führungsmütter in den Unternehmen zu kämpfen?
Im Arbeitsleben werden Familienkarrieren immer noch skeptisch beäugt. Es wird nicht offen über die Vereinbarkeitsanforderungen geredet, es fehlen Vorbilder im Management. Das macht den Müttern in Führungspositionen am meisten zu schaffen. Ob das Unternehmen einen Betriebskindergarten hat, ist für sie dagegen viel weniger wichtig. Um ihre Betreuungsmodelle kümmern sich diese Pragmatikerinnen ohnehin meist selbst.
Was sollte sich in den Unternehmen ändern?
Familienkarrieren müssten endlich selbstverständlich werden – für beide Geschlechter. Immer noch hakt es an einem professionellen Personalmanagement, das moderne Familienkarrieren über einen längeren Zeitraum fördert und begleitet. Wir brauchen mehr flexible Arbeitszeitmodelle und müssen viel mehr auf Arbeitsergebnisse als auf Anwesenheit schauen.
Wie organisieren die Karrieremütter ihren Familienalltag?
Ohne die Väter geht es nicht. Bei allen Frauen hat der Partner maßgeblich mitgezogen. 14 Prozent der Männer sind in Elternzeit gegangen, zwei Drittel engagierten sich sogar stärker als die Mütter in der Kinderbetreuung. Sieben Prozent haben die Rollen getauscht. Diese Frauen haben das klar eingefordert. Wo die Partner dazu nicht bereit waren, kam es sogar zu Trennungen. Die Frauen, die wir befragt haben, sehen die Ehe nicht als Versorgungsinstitution. Selbst wenn sie eine Weile nur für die Kinderbetreuung arbeiten, kalkulieren sie langfristig: Schnell wieder in den Beruf einzusteigen, lohnt sich auf Dauer auch finanziell. Und es bewahrt Zukunftschancen.
Doch immer noch wird die Vereinbarkeitsproblematik als Frauenthema diskutiert …
… und das müssen wir dringend ändern. Wir müssen zum Beispiel wegkommen vom Ehegattensplitting, das die traditionellen Muster reproduziert. Wir brauchen ein modernisiertes Karriereverständnis für Frauen und Männer.
Welche Rahmenbedingungen bräuchten wir, damit solche Karrieren mit dem Familienalltag vereinbar sind?
Natürlich ist die Kinderbetreuung wichtig: gute Ganztagsschulen, gute Ganztagskindergärten, Aupairs und Tagesmütter. Für Menschen, die 40, 60 Stunden die Woche arbeiten ist das natürlich eminent wichtig. Die Mütter in Führungspositionen haben keine Probleme, die Kinder für viele Stunden betreuen zu lassen – wenn die Qualität stimmt. Viele sehen diese Angebote auch als Chance für ihre Kinder, wenn sie dort etwa besonders gefördert werden.
Motiviert das Elterngeld die Frauen in Führungspositionen, ihren Weg fortzusetzen?
Das spielt für diese Klientel keine entscheidende Rolle, weil die Frauen sehr gut verdienen und nur kurz aussteigen. Sie wünschen sich vor allem die steuerliche Absetzbarkeit privater Kinderbetreuung.
INTERVIEW: ANJA DILK