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Kinder, Kommerz, Kultur

■ Lothar Pohlmann, Ferienaktionist, feierte gestern mit „seinen“ Kindern Abschlußfest

Der betäubende Gestank von brennendem Plastik beißt sich unbarmherzig durch den Windfang, drei dunkle Buben in Trainingshosen verfeuern die Deckel ihrer Spaydosen. Das ist auch erlaubt, denn gefeiert wird der Ausklang des Kinder -Ferienprogramms des Landesbetriebssportverbandes Bremen e.V. (LBSV). In einer LBSV-Sporthalle in Huckelriede ist zu diesem Zwecke zwischen Betonwänden auf grünem Gummigrund ein Parcour aufgebaut, in dem die Kinder fröhlich sein und Geschicklichkeit erproben sollen. Das klappt auch ganz gut, man kann auf Tore schießen oder Negerküsse werfen, und manche Kinder lachen. Die schwierigste Übung trägt die Stuhl -Nummer zehn, und Nicole, eine blondbezopfte Achtjährige, versucht sich: Drei Zuckerwürfel sind auf einem Teelöffel im Mund zu balancieren und dabei sechs Medizinbälle in eine alte Gartenschubkarre zu sortieren. Wer

wackelt oder lacht und seine Zuckerln verliert, kriegt Punktabzug, doch Nicole ist wendig und gewinnt. Beschallt wird ihr Triumph von mattem Rap, und im fahlen Licht zahlloser Neonröhren notiert Nicole sich ihre Punktzahl.

Die abschließende Siegerehrung unter Sonnenschirmen nimmt Lothar Pohlmann vor, Ferienprogramm und Abschlußfest gehen in erster Linie auf sein Konto. Als arbeitsloser Lehrer für Sport und Geschichte ist er seit zweieinhalb Jahren beim LBSV in

ABM-Stellung und arbeitet schwerpunktmäßig mit Kindern und alten Menschen. Denn „diese Gruppen sind im Leben sonst benachteiligt“, befindet er. Sein erstes Projekt war es, die vom Kreissportbund und allen Bremer Sportvereinen seit 15 Jahren organisierten Kinder-Ferienprogramme auch beim LBSV anzuleiern.

Eigentlich war das „Museumswandern“ Pohlmanns Lieblingserfindung in diesem Sommer. Als „Breitensportveranstaltung für die ganze Familie“ ist es geplant,

sieben Routen zu verschiedenen Bremer Museen hat er schon vorgestellt. „Bewegung und Kultur zusammenzubringen“ ist sein Traum. Aber vor allem „den Kindern muß geholfen werden“, steht für Pohlmann fest. Doch nichts geht ohne Geld, auch das beste Projekt ist pleite wertlos. Von den 20.000 Mark, die der Senator für Sport alljährlich dem Kreissportbund für Ferienabenteuer zu Verfügung stellt, kriegt der LBSV nur schlappe 1.500, und damit kann er keine großen Sprünge machen.

Das Problem wäre gelöst, spränge die Wirtschaft ein, glaubt Pohlmann, die tue viel zu wenig. Er umwirbt die hohen Herren von Industrie und Handel seit Jahren beharrlich, bisher mit nur mäßigem Erfolg. „Wenn die Presse mehr Publicity für uns machen würde, hätte auch die Wirtschaft mehr Interesse daran, uns zu sponsoren, aber die Presse druckt ja nicht einmal unsere Programme“, klagt er und setzt listig hinzu: „Jetzt hör‘ ich aber auf zu kritisieren, sonst komme ich nicht mehr in die Zeitung.“

sum

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