Kieler Woche: Marine hat alles im Blick
Die Marine testet ihr neues Radarsystem auf der weltgrößten Regattameile. Terroristen in Speedbooten konnten bisher nicht geortet werden, das soll sich ändern.
Tausende Besucher werden in der letzten Juniwoche wieder zur größten Segelregatta der Welt an die Kieler Förde strömen. Die deutsche Marine nutzt das Großereignis in diesem Jahr nicht nur, um Zivilisten den selten Blick in Landungsschiffe oder Zerstörer zu gewähren, zusammen mit dem Deutschen Heer testet sie zugleich ein neues Radarsystem. Das soll zukünftig die See- und Luftraumüberwachung der Bundeswehr verbessern.
Das System besteht unter anderem aus einem Luftraumüberwachungsradar (LÜR), der bis zu 100 Kilometer weit und zehn Kilometer in die Höhe orten kann. Komplettiert wird der LÜR von dem Lexxwar-System der Marine. Das von dem Bremer Unternehmen Atlas Elektronik im Auftrag der Nato mitentwickelte Gerät soll laut Marine vor "asymmetrischen Bedrohungen" zu Wasser schützen.
Neue Bedrohungen durch vereinzelte Terroristen seien es, die diese Technik verlangen, sagt der Presseoffizier Christopher Jacobs: "Wir haben es verstärkt mit Gegnern zu tun, die man nicht mehr einschätzen kann." Näherten sich mit Bomben bewaffnete Terroristen etwa in Schlauchbooten oder mit Speedbooten, konnten diese bisher vom Schiff aus nicht geortet werden. Das neue Radarsystem könnte dieses Problem in Zukunft lösen.
Auf der Kieler Woche will die Marine natürlich keine Terroristen jagen. Weil in diesen Tagen unzählige Wasser- und Luftfahrzeuge unterwegs seien, eigne sich das Großereignis perfekt für eine Testreihe. "Das System funktioniert genauso wie normale Schiffsradare, die ja täglich in der Kieler Förde eingesetzt werden", sagt Jacobs. Deshalb sei die Frequenz für Anwohner und Besucher ungefährlich.
Björn Thoroe von der Kieler Linkspartei glaubt nicht so recht an diese beruhigenden Worte. "Das ist eine Sauerei", sagt er. Schließlich verbreite der Radar unnötig Strahlen. Über die neuntägige Testreihe wundere sich Thoroe aber nicht. "Das passt doch zum Charakter der Kieler Woche - das war doch schon immer eine Militärparade". Die Grünen aus Kiel sind indes verhaltener. Ob die Radarstrahlen wirklich gefährlich seien, könne man schließlich nicht belegen. "Es ist aber unglücklich, den Test gerade während der Kieler Woche durchzuführen", sagt Ratsfraktionsvorsitzender Lutz Oschmann über die Installation des Ortungssystems.
Wirklich auffallen werden der LKW und die beiden Container mit den zwölf Meter hohen Radarantennen an der Mole des Marinearsenals allerdings nicht. Bis zu 3.000 Marinesoldaten aus elf Ländern erwartet die Deutsche Marine in diesem Jahr. 30 Schiffe aus den USA, Russland oder Großbritannien werden am 19. Juni in den Hafen einlaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neunzig Prozent E-Autos bei Neuwagen
Taugt Norwegen als Vorbild?
Annalena Baerbock in Syrien
Unfreiwillige Misstöne
Religionsunterricht
Deutschlands heilige Kuh
Regierungsbildung in Österreich
Was mit Kickl droht
Nach Unfällen zu Silvester
Scholz hält Böllerverbot trotz Toten für „irgendwie komisch“
Regierungskrise in Österreich
Auf der anderen Seite der Brandmauer