Kieler Grüne offen für Jamaika-Koalition: "Kubickis FDP ist sozialliberal"
Nach dem Platzen der großen Koalition in Schleswig-Holstein schließen die Grünen ein Bündnis mit CDU und FDP nicht aus. Für ihn gäbe es keinen Automatismus, sagt Landes-Grünen-Chef Habeck.
taz: Herr Habeck, kann die SPD Neuwahlen in Schleswig-Holstein noch verhindern?
Robert Habeck: Wenn die SPD ihren Spitzenkandidaten Ralf Stegner opferte, würde Regierungschef Peter Harry Carstensen sich die Sache vielleicht noch einmal überlegen. Das wäre allerdings gar nicht gut - nicht wegen Stegner, sondern weil diese große Koalition ein totes Pferd ist. Nun sollte man absteigen. Wir brauchen Neuwahlen, um Politik wieder zu ermöglichen.
Warum hacken jetzt eigentlich alle auf Stegner herum?
Stegner hat sich zweimal zu viel erst rhetorisch staatstragend gegeben, sich dann aber von Koalitionsbeschlüssen distanziert - jetzt zuletzt im Krach um die HSH Nordbank. Ich finde, dass Carstensen der Kragen zu Recht geplatzt ist. Konsequent wäre gewesen, wenn Stegner den Bruch auch einmal durchgezogen hätte. Aber er hat sich immer weiter in die Sackgasse taktiert, und je auswegloser die Situation war, desto verbalradikaler wurde er.
Die CDU will doch bloß Neuwahlen, weil sie fürchtet, dass das Pendel 2010 wieder zugunsten der SPD ausschlägt, wenn diesen September Schwarz-Gelb im Bund gewinnt.
Solches strategisches Klipp-klapp-Denken kann ich umgekehrt auch der SPD vorwerfen. Demnach würde Stegner darauf setzen, 2010 Ministerpräsident zu werden, wenn Schwarz-Gelb im Bund den Atomausstieg rückgängig macht. Irgendwie eine komische Strategie für einen Sozi, oder? Die letzten 24 Stunden waren ungesteuertes Chaos.
Würden Sie in eine Koalition mit CDU und FDP gehen?
Was für eine Frage. Wir machen es so: Grüne werden so stark, dass keine Regierung ohne sie geht. Dann nehmen wir die, in der wir am meisten umsetzen können.
Der Grünen-Bundesparteitag hat für den Bund eine Jamaika-Koalition ausgeschlossen. Das tun Sie nicht?
Nein, weil das keine offensive Haltung ist. Und eine defensive interessiert mich nicht. Es gibt in Schleswig-Holstein immensen Handlungsbedarf, und da ist mir wohler, wenn die Grünen mit an die Regierung kommen. Wir haben hier problematische Kohlekraftwerke. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist ins Stocken gekommen. Die Bildungslandschaft ist in Aufruhr. Da können wir Grünen nicht in Weinerlichkeit verfallen und sagen, "mit denen reden wir nicht".
Der Grund für den Jamaika-Ausschluss im Bund schien mir nicht Weinerlichkeit zu sein.
Wir haben es hier im Norden mit einer ganz anderen FDP zu tun. Die schleswig-holsteinische FDP mit Fraktionschef Wolfgang Kubicki ist eine sozialliberale Partei und keine neoliberale Westerwelle-Truppe.
Geben Sie es ruhig zu: Sie möchten der Erste sein, der einen grünen Landesverband in eine Jamaika-Koalition führt.
Pah! Ich möchte die FDP am liebsten abhängen. Ich sehe auch nicht, wofür sie politisch gebraucht wird. Gäbe es eine Jamaika-Option, gehörte sie zu den schwierigsten und unsympathischsten. Aber wir können schlicht nicht wissen, welche Kombinationen am Ende möglich sind, wenn es für CDU und FDP allein nicht reicht - und das wird es nicht. Es gibt für uns keinen Automatismus: "erst Rot-Grün, dann Ampel, dann dies, dann das." Das ist die neue Zeit. Sie ist komplizierter, und das ist eine demokratische Chance.
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