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Kicken statt UnabhängigkeitskampfSpiel um dein Land!

Alle reden von der EM. Doch im indischen Nagaland wird Fußball gespielt, der Frieden stiftet. Über die politischen Verheißungen der sportlichen Globalisierung.

Die Kinder und Jugendliche aus Nagaland, östlich vom Himalaya ziehen Kicken dem Hiken vor. Bild: Meeta Ahlawat

Morgens um sieben springen die Fußballer auf den Bus: zuerst Jesse Aschumi, der mit dem Irokesenschnitt. Jesse schnappt sich den Vordersitz und schließt sein Handy an die Musikanlage an. Country-Musik ertönt. Dann kommt Kapitän Asito Krose.

„Guten Morgen, ich heiße fast wie Klose“, stellt sich der 19-Jährige mit Punkerfrisur vor. Die Anspielung auf den deutschen Fußballer Miroslav Klose ist eingeübt. Neben ihn setzt sich Tepongmeren Kichu, genannt Meren. Meren wirkt noch etwas verschlafen. „Ich habe heute die falsche Haarfarbe benutzt“, entschuldigt er sich – die Haare sind jetzt rot.

Endlich fährt der Bus los. Jesse spielt „Leaving on a jetplane“, den Uralthit von John Denver. Die drei singen mit. Sie sitzen im Vereinsbus der Kohima Komets, der ersten professionellen Fußballmannschaft von Kohima, der Hauptstadt Nagalands. Sie sind lokale Stars. Früher waren das die Unabhängigkeitskämpfer, heute sind es Fußballspieler wie Jesse, Asito und Meren. „Wir Nagas sind Krieger. Der Fußballplatz ist unser neues Schlachtfeld“, sagt Jesse todernst. Dann singt er wieder mit.

Isoliertes Nagaland

Bis vor wenigen Jahren durfte niemand aus dem Ausland Nagaland bereisen. Ausländische Diplomaten und Journalisten anderer Länder bekommen erst seit 2011 Einlass, aber auch dann nur in gut beaufsichtigten Gruppen, die mit den Einheimischen kaum reden dürfen. Als im Mai eine Delegation unter Leitung des EU-Botschafters in Indien ein Nagadorf außerhalb der Hauptstadt besuchte, legte das Innenministerium in Delhi sofort Widerspruch ein. Eine ganz ähnliche Öffentlichkeitspolitik verfolgt China in Tibet. Der Reporter folgte deshalb einer Einladung als Fußballtrainer nach Nagaland und trainierte an mehreren Tagen die erste professionelle Fußballmannschaft von Kohima, der Hauptstadt Nagalands.

Nagaland liegt in den grünen Vorbergen des östlichen Himalaja und ist ein Bundesstaat Indiens. Doch die Nagas fühlen sich in Indien mindestens so fremd wie die Tibeter in China. Auch sonst haben sie viel mit ihren tibetischen Nachbarn gemein. Beide Völker wurden jahrzehntelang auf brutale Weise von einer Großmacht erobert, verfolgt und gedemütigt. Nur sind die sechs Millionen Tibeter und ihr Freiheitskampf in der Welt berühmt, während die vier Millionen Nagas kaum jemand kennt. Sie galten lange Zeit als Wilde, lebten im Dschungel, jedes Dorf für sich.

Ihre Männer sammelten menschliche Totenköpfe als Trophäen – kaum hundert Jahre ist das her. Erst dann setzten sich amerikanische Missionare durch und machten aus den Nagas tiefgläubige, naive Baptisten. Das stimmte sie freundlich gegenüber dem Westen, schützte sie jedoch nicht vor den Indern, die Nagaland eroberten, das Land teilten und mit bengalischen Flüchtlingen aufmischten. Die Nagas antworteten mit einem Guerillakrieg, den sie den „62-jährigen naga-indischen Krieg“ nennen.

Nagaland in Afrika

Auf dessen Höhepunkt in den 50er und 60er Jahren ermordete die indische Armee Hunderttausende Nagas und brannte Hunderte ihrer Bergdörfer nieder. Doch kaum jemand nahm je von dem Völkermord Notiz. Daran änderte auch ein seit 1997 andauernder Waffenstillstand zwischen Armee und Guerilla nichts. Bis heute kennen die meisten Inder von Nagaland nicht mehr als den Namen, während im Westen viele das Land in Afrika vermuten.

Die jungen Fußballstars aber scheint das nicht mehr zu stören. Sie sind jetzt selbst wer, nämlich Profis in Nagalands erster Fußballprofiliga, die in diesem März startete. Nagaland Premier League (NPL) heißt die Liga, von der in der kleinen Bergstadt Kohima große Werbeplakate künden. Der Bus mit den Spielern fährt direkt an einem solchen Plakat mit ihren Konterfeis vorbei. Daneben steht ein ebenso großes Plakat der deutschen Sportfirma Adidas, das den portugiesischen Fußballer Cristiano Ronaldo zeigt. Der ist das Ziel der Jungs. Sie wollen werden wie Ronaldo. „Er ist mein Lieblingsspieler“, sagt Kapitän Asito.

In den engen Gassen von Kohima schauen schon am frühen Morgen alle den Jungs nach. Ihr nagelneuer Bus in den Vereinsfarben Gelb-Schwarz fällt im Gewühl der Drei- und Zweiräder auf. Wo er hält, herrscht aufgeregtes Menschengedränge. Es ist der Tag des wichtigsten Heimspiels der Saison. Am Nachmittag um 14 Uhr werden die Kohima Komets auf den Tabellenführer der NPL treffen. Vorher ist am Morgen noch eine Trainingseinheit angesetzt.

Jesse nimmt seine Plastiktüte mit den Puma-Stiefeln und läuft auf den grünen Rasen des Indira-Gandhi-Stadions von Kohima. Es liegt direkt unterhalb eines Truppenstützpunktes der indischen Armee. Bis heute hat Indien 100.000 Soldaten in Nagaland stationiert, die sich wie eine Besatzungsmacht aufführen. Dafür sorgen ständige Kontrollen und Patrouillen. „Freunde der Bergvölker“ nennen sich die Soldaten, so steht es in großen Buchstaben über der Tribüne des Stadions. Doch Jesse schaut nicht mehr auf, ärgert sich nicht über die Soldaten, hat schon den Ball am Fuß. Er denkt ans Schießen wie seine Väter, aber nur noch mit dem Ball ins Tor.

Verhandlungen mit Delhi

Das ist die Idee, die hinter den Kohima Komets steckt: Fußball statt Krieg und Unabhängigkeitskampf. Weil Fußball junge Männer wie Jesse fasziniert, die sonst zu den Waffen greifen könnten. „Wir stecken mitten in Verhandlungen. Wenn sie scheitern, kann morgen wieder der Krieg ausbrechen“, sagt Richard Belho, der Gründer und Chefmanager der Komets.

Belho ist ein 36-jähriger Internetunternehmer und Architekt. Er hat in Indien studiert. Wie die meisten Nagas hat er den größten Teil seines Lebens im Krieg gegen Indien verbracht. Doch er selbst glaubt nicht mehr an die Unabhängigkeit der Nagas. Er hält den Guerillakampf für sinnlos. Umso wichtiger ist ihm sein Fußballverein. Er will zeigen, dass die Nagas mit mehr als nur Gewehren kämpfen können. Er will, dass die Jugend über den Tellerrand blickt, zum Beispiel zu den großen Fußballvereinen in München und Barcelona. Alle seine Spieler haben ihre Lieblingsvereine in Europa.

Deshalb hat Belho den Reporter als Fußballtrainer eingeladen. Die Jungs hatten noch nie einen europäischen Trainer. „Dir glauben sie!“, sagt Belho.

Doch das ist nicht so einfach. Die Komets sind ein Team aus jungen und älteren Spielern. Die Jungen sind begeistert, wenn man sie in kleinen Gruppen das moderne Kurzpassspiel lehrt. Sie wissen, dass Spanien damit Weltmeister wurde. Doch dieses Training fordert viel Geduld und Disziplin. Es geht darum, wie man den einfachen Pass mit hundertprozentiger Sicherheit spielt. Die älteren Spieler aber empfinden solches Training als Kinderspiel. Sie wollen lieber lange Flanken und Kopfbälle üben. Sie glauben an ihr Können.

Besser als Kricket

Kapitän Asito ist nach dem Training am Morgen des großen Spieltags verärgert. „Ich habe einfach keine Kontrolle über diese Mannschaft“, schimpft er, „sie ist undiszipliniert.“ Genauso wie Asito seine Mannschaft angeht, kritisiert Manager Belho die Nagas im Allgemeinen. Sie seien zu wechselhaft, nicht ausdauernd und unberechenbar. Früher hätten sie als Dschungelkrieger immer gleich zugeschlagen. Jetzt müssten sie langfristig denken. Deshalb fiele es ihnen so schwer, die Chancen der Globalisierung zu nutzen, die sich ihnen heute jenseits der Unterdrückung durch Indien bieten.

Doch Belho ist weiterhin davon überzeugt, dass Fußball das beste Mittel ist, um die Nagas aus ihrer Besatzungslethargie zu befreien. Früher versuchte er mit Tischlerprojekten und Internetforen die Jugend zu gewinnen. Doch Fußball ist konkurrenzlos in Nagaland. Jedes Dorf hat hier eine Kirche und einen Fußballplatz, auf dem den ganzen Tag die Kinder und am Abend die Männer spielen.

Unter der Woche unternimmt Belho eine Tour zu ein paar abgelegenen ehemaligen Guerilladörfern, um dort an Schulen neue Fußballtalente zu sichten. Die Jungs dort wissen nicht, woher der Fußballsport kommt. Aus China?, fragen sie. Doch sie haben alle ihre großen Idole: Messi. Ronaldo. Thomas Müller. Wie Glaubensbekenntnisse sprechen sie diese Namen. Sie haben Fußball immer als ihr ureigenes Spiel und nicht etwa als westlichen Kulturimport empfunden.

Die Dorfalten erinnern sich sogar noch, wie ihre Väter wahlweise mit Rinderblasen, großen Citrusfrüchten und geflochtenen Bambusbällen spielten. Als hätten die Nagas immer schon Fußball gespielt. Natürlich liegt in dieser Vorstellung auch der Wunsch nach Abgrenzung gegenüber dem Kricketland Indien.

„Here we go again“

Doch der Weg in den Fußballhimmel ist weit. Das bekommen an diesem Tag auch die Kohima Komets zu spüren. Zwar ist das Stadion von Kohima am Nachmittag voll besetzt mit Fans, die ihre Mannschaft ordentlich anfeuern, doch der Tabellenführer kombiniert einfach besser. Besonders Asito will auf dem Platz nichts gelingen. Am Ende muss seine Mannschaft über ein torloses Unentschieden glücklich sein.

Auf der Rückfahrt ist die Stimmung im Bus gedrückt. Doch dann schmeißt Jesse wieder die Musikanlage an. Diesmal ein Lied von James Blunt: „Here we go again“. Das rüttelt alle wieder auf. Kein Zweifel: Die junge Fußballnation Nagaland hat noch viel vor.

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2 Kommentare

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  • R
    rwf-art

    Ich muss leider sagen: der artikel ist nicht nur schlecht geschrieben: er ist auch falsch!!! Falsche Hintergrundinfos: Ich selbst bereise seit mehr als 10 Jahren das Nagaland! Ich bin 2001 ( !) das erstemal in diesem wunderschönen Land gewesen und seither fast jedes Jahr - ich habe seit mehreren Jahren kleine Reisegruppen, vorallem durch den Norden des Landes ( Mon- distrikt) geführt und niemals ! gab es Probleme, weder mit Naga's noch mit indischem Militär oder Regierungsbeamten. Im Gegenteil bin ich überall auf Unterstützung und Hilfe gestoßen.

    Sorry, dieser Artikel ist in meinen Augen eine Beleidigung sowohl für die Inder an sich wie auch im speziellen der Nagas!!!

    Mehr Informationen erhalten Sie gerne auf meiner Webseite: www.rwf-art.de dort ist die Geschichte des Landes in groben Zügen einsehbar ebenso Bilder und Videos.

  • G
    Gerda

    Was für ein schlichter Artikel - hochbezahlte, stinkreiche deutsche Redakteure berichten gnädigerweise über unterentwickelte Länder, in denen Fußball Frieden stiftet - so einen rechtsradikalen Unsinn habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen. "Georg Blume" (Name von der Redaktion wahrscheinlich frei erfunden) muss ein unglaublich dummer Mensch sein. Traurig.