: Kettensägen-Al und der Mindestlohn
■ Nicht nur Jugendliche, sondern auch normale Erwachsene haben jetzt „McJobs“
Nicht jeder Konzernchef gibt ein paar tausend Mitarbeitern so unbeschwert den Tritt wie Albert Dunlap, der mit Massenentlassungen in den letzten Jahren acht US- Unternehmen umstrukturiert hat. In der US-Presse und unter Arbeitnehmern unter dem Spitznamen „Kettensägen-Al“ berühmt und berüchtigt, predigt Dunlap das neue Mantra: „Ich bin vor allem den Aktienbesitzern verpflichtet. Denen gehört die Firma. Die müssen Profite sehen – und Profit, meine Herren, ist kein schmutziges Wort.“ Seine zwei Jahre als Sanierer der Firma „Scott Paper“ ließ sich Dunlap zuletzt mit 100 Millionen Dollar honorieren, womit er eindeutig zu jener Einkommensschicht in den USA gehört, die nicht von stagnierenden oder sinkenden Reallöhnen betroffen ist.
Während die Einkommen in den Chefetagen der US-amerikanischen Privatwirtschaft seit 1974 um rund 300 Prozent gestiegen sind, hoffen am anderen Ende der Leiter rund elf Millionen Amerikaner auf eine Erhöhung des Mindestlohnes. Der liegt derzeit bei 4.25 Dollar pro Stunde und soll auf Vorschlag Clintons in den nächsten zwei Jahren um 90 Cent auf 5.15 Dollar erhöht werden. Derzeit arbeiten rund elf Millionen Amerikaner zu Stundenlöhnen zwischen 4.25 Dollar und 5.15 Dollar: Parkplatzwächter, Supermarktkassierer, Putzkräfte, Lagerarbeiter und die vielzitierten Angestellten bei McDonald's.
Entgegen weitverbreiteten Annahmen besteht die Mehrheit dieser Arbeitnehmer nicht aus Teenagern, die sich in Sommerjobs Geld fürs erste Auto oder die College-Ausbildung verdienen wollen, sondern zu drei Vierteln aus Erwachsenen – vor allem Frauen. Die Republikaner, die derzeit im Kongreß die Mehrheit stellen, blockieren die Erhöhung des Mindestlohns – unter anderem mit der Begründung, so der Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, daß die Löhne US-amerikanischer Arbeiter dann nicht mehr mit denen Mexikos konkurrenzfähig wären.
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