Kernforschungszentrum machte Druck: Asse II ohne Eignungsprüfung

Neu aufgetauchte Dokumente belegen: Der Hauptlieferant von Atommüll ins Pannenlager Asse hat 1965 Druck auf die Betreiber ausgeübt, mit der Einlagerung zu beginnen.

Asse II in Niedersachsen: Das Kernforschungszentrum Karlruhe war der erste Lieferant, der hier seinen Müll los wurde. Bild: dpa

GÖTTINGEN taz Der Hauptlieferant von Atommüll ins Pannenlager Asse, das Kernforschungszentrum Karlsruhe, hat laut neu aufgetauchten Dokumenten eine ergebnisoffene Eignungsprüfung des Bergwerks torpediert. In den Schacht Asse II wurden zwischen 1967 bis 1978 vorgeblich zu Versuchszwecken insgesamt rund 126.000 Fässer mit zumeist schwach- und mittelradioaktivem Müll gekarrt. In der vergangenen Woche löste die Bundesregierung den bisherigen Betreiber, das Helmholtz Zentrum München (früher: Gesellschaft für Strahlenforschung GSF), ab und übertrug die Verantwortung dem Bundesamt für Strahlenschutz.

In einem der taz in Kopie vorliegenden Brief schrieb das Kernforschungszentrum am 4. August 1965 an die GSF: "Wir bitten Sie, alle Vorkehrungen zu treffen, sodass noch in diesem Jahr mit der Versuchseinlagerung von radioaktiven Abfällen begonnen werden kann." Andernfalls müsse das Kernforschungszentrum "umgehend Maßnahmen zum Bau einer neuen Lagerhalle ergreifen, was wir angesichts der Finanzlage dringend vermeiden wollen". Und weiter: "Infolge des laufenden Ausbaus des Kernforschungszentrums Karlsruhe steigt unser Anfall an radioaktiven Abfällen stark an." Das Kernforschungszentrum habe "vorgesehen, noch im Laufe des Jahres 1965 die ersten radioaktiven Abfälle in das Salzbergwerk Asse II zu bringen."

Zwei Wochen später warnte der Betreiber GSF das Bundesforschungsministerium vor Konsequenzen, wenn den Forderungen aus Karlsruhe stattgegeben werde: "Nach dem Schreiben (aus Karlsruhe, Anm. taz) handelt es sich nicht um eine Versuchseinlagerung einer begrenzten Anzahl von Fässern, sondern um die Aufnahme eines erheblichen Teils der radioaktiven Rückstände." Eine "Massenanlieferung" von strahlendem Müll in die Asse werde "politische Auswirkungen haben". Schließlich seien damals bestehende Widerstände gegen die Einlagerung bei Kommunalpolitikern und Behörden nur durch die Versicherung überwunden worden, "dass das Bergwerk für die nächsten Jahre nur der wissenschaftlichen Erforschung dienen sollte".

Trotz dieser Bedenken beantragte die GSF am 18. November 1966 die Einlagerung radioaktiver Stoffe ins Bergwerk Asse. Der Antrag wurde nach nur vier Monaten vom Landkreis Wolfenbüttel genehmigt. Erster Lieferant von Atommüll war am 4. April 1967 das Kernforschungszentrum Karlsruhe.

Umweltschützer kritisierten am Dienstag die mehr als 40 Jahre zurückliegenden Vorfälle. Entgegen allem Gerede vom Forschungsbergwerk Asse sei damals ohne ordentliche Prüfung aus wirtschaftlichen Gründen mit der Einlagerung von Atommüll begonnen worden, erklärte das Jugendumweltnetzwerk Niedersachsen.

Das Kernforschungszentrum wurde 1956 gegründet, seit 1995 heißt es nur noch Forschungszentrum Karlsruhe. Träger und Geldgeber sind der Bund und das Land Baden-Württemberg.

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