: Keine selbstbestimmte Entscheidung
■ Zu Rita Süssmuths Vorschlägen
KOMMENTARE
Endlich hat der gesunde Menschenverstand von CDU -Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth über ihre Angst vor der eigenen Partei gesiegt. Erstmals getraute sie sich gestern, öffentlich das zu sagen, was alle Frauen - von den CDU -Politikerinen bis zu den Grünen - wissen: Die Entscheidung darüber, ob sie ein Kind austrägt, muß bei der Frau liegen. Ein solcher Konflikt kann niemals durch Ärzte oder Gerichte als „objektive Notlage“ bestätigt werden. Rita Süssmuths Vorschlag, den Schwangerschaftsabbruch deshalb aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, ist für eine CDU-Frau mutig. Allerdings: Eine wirklich selbstbestimmte Entscheidung will sie den Frauen dann doch nicht erlauben. Ein - außerhalb des Strafrechts angesiedeltes - „Lebensschutzgesetz“ soll den Zwang zur Beratung vorschreiben. Und: Der Inhalt dieses Gesprächs muß zusammengefaßt und dem abtreibenden Arzt vorgelegt werden. Frauen, die sich daran nicht halten oder nach einer bestimmten Frist (zehn oder zwölf Wochen sind in der Diskussion) abtreiben, droht dann doch die Strafverfolgung. In der Praxis bedeutet das: Wer der Beraterin dramatische Gründe für die Abtreibung schildert, wird keine Probleme haben. Eine Frau, die ihre Motive nicht eloquent beschreiben kann oder will, erhält zwar auch die Beratungs-Bescheinigung - die nützt ihr jedoch nichts. Mit einem solchen „Protokoll“ ohne Details über ihre Gründe findet sie - zumindest in vielen Gegenden Süddeutschlands keinen Arzt, der den Abbruch durchführt. Schon heute weigern sich zum Beispiel die Kreiskrankenhäuser in Niederbayern, Abtreibungen nach der Notlagenindikation durchzuführen. Anstatt sich wirklich aussprechen und über ihre Rechte informieren zu können, müßten die Frauen in der Beratung (wie auch heute schon) eine für jeden Arzt einleuchtende Version ihres Konfliktes liefern. Diese entwürdigende Prozedur - und das müßte eigentlich auch Rita Süssmuth wissen - hat mit einer selbstbestimmten Entscheidung nichts zu tun. Frau Süssmuth fragte gestern, ob wir eine bessere Lösung wüßten.
Die Verantwortung für eine Abtreibung sollte wirklich den Frauen überlassen bleiben - ohne Zwangsberatung und ohne Strafandrohung. Keine Frau macht sich diese Entscheidung leicht, manch eine spricht sich jedoch lieber mit ihrer besten Freundin aus als mit einer fremden Beraterin.
Tina Stadlmayer
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