piwik no script img

■ Keine Wirtschaft ohne Politik im Nahen OstenKoloniale Situation

Im Nahen Osten haben sich beide Seiten immer noch in ihren Schützengräben vergraben – ungeachtet aller Fortschritte. Keine Seite hat es bisher geschafft, die andere wirklich zu übertrumpfen. Die Araber haben nach wie vor kein Land, die Israelis keine Stabilität und keine Sicherheit. Da entstand die Idee des israelischen Außenministers Schimon Peres, den historischen Nahostkonflikt in einem freien Markt aufzulösen. Aus Feinden sollen Käufer und Verkäufer werden. Anstelle von Ideologien soll der freie Markt die Regie übernehmen. Mit der großen Wirtschaftskonferenz von Casablanca vor einem Jahr und dem jetzt zu Ende gegangenen Treffen in Amman wollte Schimon Peres seinen Traum nun Wirklichkeit werden lassen.

Doch es will nicht so recht vorwärts gehen. Die arabische Seite verlangt, daß zunächst die politischen Probleme gelöst werden müssen, bevor man ins Geschäft kommen kann. Syrien, Libanon, der Irak und Libyen boykottierten Amman. Ägypten gab sich zurückhaltend, und die Golfstaaten können auch ohne Israel gut leben. Die Prinzipien der Geschäftswelt geben der arabischen Seite recht. Der Markt verträgt keine Grenzen, an denen sich alles um Sicherheit dreht. Und Sicherheit wiederum entsteht nur, wenn die politischen Probleme gelöst werden.

Selbst wenn die Idee funktioniert und sich Freihandelszonen, Brücken, Pipelines und Joint-ventures verwirklichen wollten – die arabische Angst vor der israelischen Dominanz wird bleiben. Sie ist eine täglich erlebte Erfahrung in den arabischen Hauptstädten, sei es in der Frage der politischen Unterstützung von Ländern außerhalb der Region, besonders von seiten der USA, oder sei es die Tatsache, daß Israel als einzige Macht in der Region Atomwaffen und damit die absolute militärische Überlegenheit besitzt.

Der heute noch visionäre Markt erscheint schon jetzt als eine Fortsetzung dieser Erfahrung. Das gesamte palästinensische Bruttosozialprodukt ist so hoch wie die jährliche Zuwachsrate der israelischen Wirtschaft, und Israels wirtschaftlicher Output ist größer als der aller wichtigen arabischen Länder zusammen. Wen wundert es da, daß die arabische Seite die Angst vor dem USA–Mexiko-Syndrom befällt: Die einen stellen Know-how und Technologie zur Verfügung, die anderen liefern billige Rohstoffe und bieten billige Arbeitskräfte an. Eine koloniale Situation par excellence. Karim El-Gawhary, Kairo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen