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Keine Rede von einem Rücktritt Karadzic'

■ Der Serbenführer läßt den Diplomaten Carl Bildt auflaufen. Britische Tories erhielten angeblich Geld von Karadzic

Banja Luka/London (AFP/taz) Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić hat seine Position als „Präsident“ der Serbischen Republik in Bosnien ungeachtet der Rücktrittsforderungen des Westens behauptet. Bei den Berichten über einen Rücktritt von Karadžić handele es sich um „reine Spekulation“, sagte seine Stellvertreterin, Biljana Plavsić, gestern in Banja Luka. Karadžić hatte Plavsić am Samstag die Verantwortung für die Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft übertragen.

Plavsić sagte, Karadžić habe sie mit auswärtigen Angelegenheiten betraut, um sich stärker um „innere Probleme“ der Serbischen Republik in Bosnien kümmern zu können. Plavsić bestätigte Berichte, daß die bosnischen Serben ein Referendum über die Zukunft von Karadžić und seinem Armeechef Mladić abhalten wollen. Dabei solle den Männern Unterstützung bekundet werden.

Ein Sprecher des Beauftragten für den Wiederaufbau Bosniens, Carl Bildt, räumte ein, daß Bildt sein Ziel, den Rücktritt Karadžić', nicht erreicht habe. Bildt habe aber von der Führung der bosnischen Serben die Zusicherung erhalten, daß Karadžić nicht mehr in den Friedensprozeß eingreife. Zugleich sagte Bildt Pale jedoch zu, mit den Hardlinern Plavsić und dem neuen Ministerpräsidenten Gojgo Klicković zusammenzuarbeiten. Klicković hatte sich für eine Teilung Bosniens ausgesprochen. Dies wäre eine klarer Verstoß gegen das Dayton-Friedensabkommen, das den Erhalt Bosnien-Herzegowinas als Gesamtstaat vorschreibt.

Die Behörden in Banja Luka schlossen unterdessen den einzigen unabhängigen Rundfunksender auf bosnisch-serbischem Gebiet. Der Privatsender war die einzige bosnisch-serbische Rundfunkstation, die Interviews mit internationalen Diplomaten führte, die sich kritisch über die serbischen Behörden äußerten.

Karadžić sorgte am Wochenende in Großbritannien für ganz eigene Schlagzeilen. Der wegen Kriegsverbrechen gesuchte Serbenführer soll eine Viertelmillion Mark in die Tory-Parteikasse gespendet haben. Das Geld soll über befreundete Geschäftsleute ausgehändigt worden sein. Angeblich haben John Majors Berater den Premierminister damals gewarnt, daß das Geld direkt zu Karadžić zurückverfolgt werden könne.

Die Labour Party bezeichnete die Affäre als „schlimmsten Skandal dieses Parlaments“, falls sich die Vorwürfe als wahr erweisen sollten. Ihr außenpolitischer Sprecher Robin Cook sagte: „Es wäre eine Schande, wenn die Konservativen Geld von Leuten mit Verbindungen zu serbischen Politikern genommen hätten, die britische Soldaten als Geiseln festgehalten haben.“

Der Tory-Vorsitzende Brian Mawhiney hat eine Untersuchung eingeleitet. Er sagte, daß seine Partei das Geld zurückzahlen werde, sollten sich die Behauptungen bestätigen. Ganz so eng sieht man es in Wirklichkeit freilich nicht: Die 440.000 Pfund, die der flüchtige Geschäftsmann Asil Nadir den Tories gespendet hatte, sind bis heute nicht zurückgezahlt, obwohl Nadir das Geld gestohlen hatte. Dem Schatzmeister der Konservativen würde es nicht leichtfallen, das Geld zurückzugeben: Die Parteikasse ist mit 2,2 Millionen Pfund in den roten Zahlen.

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