: Keine Kanzlerkandidatenkür
■ betr.: „Schaffner SPD will Fahr plan einhalten“, taz vom 5. 4. 97
Nachdem Helmut Kohl im Wege der „Fernseh-Demokratie“ die Öffentlichkeit mit seiner erneuten Kandidatur „beglückt“ hat (in einer parlamentarischen Demokratie mit demokratischen Parteien wäre ein Parteitagsbeschluß o. ä wohl der übliche Weg), sollte sich die SPD jetzt nicht zu einer Kanzlerkandidatenkür hinreißen lassen.
Zur Zeit ist die Frage „Wer soll's machen?“ in der SPD zweitrangig, die eigentliche Frage heißt: „Was soll er (sie???) denn machen?“ Denn bis jetzt fehlt der SPD (wie vor jeder der letzten Wahlen) ein Programm. Außer Allgemeinplätzen wie „ökologische Steuerreform“ ist ihr nicht viel zu entlocken. Wo bleiben Vorschläge, Konzepte, eingängige Beispiele für eine andere Politik? Wie bekämpft die SPD die Arbeitslosigkeit? Mit „So nicht, Herr Bundeskanzler!“ bestimmt nicht.
Desweiteren wird die SPD zur Kenntnis nehmen müssen, daß bei der derzeitigen Lage am Arbeitsmarkt das Thema „ökologische Steuerreform“ (so wichtig diese auch wäre) nicht das Thema ist, was der Bevölkerung auf den Nägeln brennt, sondern wohl eher die Sicherheit der Rente, ein bezahlbares Gesundheitssystem, Hochschulreform, Zukunftsindustrien etc.
Ein Programm muß also zunächst her. Und dann kommt die Frage: „Wer soll's machen?“ Und die muß Anfang des nächsten Jahres beantwortet sein, weil der Wähler einige Zeit braucht, um sich über den Kandidaten eine Meinung bilden zu können. [...] Ingo Kindgen, Bergheim
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