piwik no script img

Keine Hilfe für Zwangsarbeiter

Drei Wochen vor der deutschen Einheit: Der Innenausschuß des Bundestags lehnt eine Stiftung zur Unterstützung ehemaliger Zwangsarbeiter ab/ Für die Opfer wird es bestenfalls Almosen geben  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Anderthalb Jahre hat es gedauert, bis CDU/CSU und FDP soweit waren: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob eine Fondslösung für Härteleistungen an Zwangsarbeiter möglich ist, Kontakt mit der Privatwirtschaft aufzunehmen, die Höhe der benötigten Mittel festzustellen und darüber bis zum 31.12.1990 dem Deutschen Bundestag zu berichten.“ Diesen sogenannten Entschließungsantrag verabschiedeten die Koalitionsfraktionen gestern im zuständigen Innenausschuß des Bundestages. Alle anderslautenden Anträge von Grünen und SPD ließen sie an ihrer Mehrheit scheitern.

Ob ehemalige polnische ZwangsarbeiterInnen jemals von einer deutschen Regierung mit 2.000 bis 3.000 Mark zumindest symbolisch entschädigt werden, bleibt damit weiter unklar. Sicher ist nur: Die von den Bonner Oppositionsparteien SPD und Grüne geforderte Bundesstiftung zur Entschädigung von ZwangsarbeiterInnen wird vorerst nicht eingerichtet.

Daß die Koalitionsfraktionen im Innenausschuß nicht empfehlen würden, die mehrere Hunderttausend noch lebenden ZwangsarbeiterInnen der Nazizeit zu entschädigen, war abzusehen: Schon im März beschieden Politiker von CDU/CSU alle polnischen Forderungen nach Entschädigung ehemaliger ZwangsarbeiterInnen grundweg negativ. Immer wieder hatten die Koalitionsfraktionen im Innenausschuß eine Entscheidung verschoben.

Stellungnahmen von Sachverständigen, die eine Entschädigung nahelegten, wurden nicht berücksichtigt, dafür aber immer neue Stellungnahmen angefordert. Schon vor Monaten war genau jene Prüfung abgeschlossen, die, laut Entschließungsantrag, der Bundestag nun der Bundesregierung aufgeben soll: Ob eine Fondslösung „möglich“ ist.

Im März hatten von den Koalitionsfraktionen bestellte Gutachter festgestellt, daß der Bundestag rechtlich frei ist, Leistungen für Zwangsarbeiter in Form einer Stiftung vorzusehen. Schon Ende des vergangenen Jahres war auf einer Anhörung des Bundestages die Schutzbehauptung der Bundesregierung, Entschädigung sei völkerrechtlich nicht möglich, fast rundum widerlegt worden.

Dennoch rückte die Koalition von ihrer — moralisch widersinnigen — Argumentation nicht ab: Im „Londoner Schuldenabkommen“ von 1953 werde die Prüfung aller Reparationsforderungen gegen Deutschland bis zu einem Friedensvertrag zurückgestellt. Zwangsarbeit sei aber kein NS-typisches Unrecht, sondern eine kriegsbedingte Maßnahme, die in den Bereich Reparationen falle. Ergo dürfe (!) vor einer Regelung im Rahmen eines Friedensvertrages gar nicht entschädigt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen