: Keine Hilfe für Betriebe in Nöten
■ 5.000 Betriebe haben Liquiditätsbürgschaften beantragt / Ost-Berlin und Bonn wollen Bedarf von 24 Milliarden nicht anerkennen / Verzicht auf 50 Milliarden Schulden?
Bonn (dpa/vwd) - Viele DDR-Betriebe sind in finanziellen Nöten. Die Bundesregierung und die DDR-Regierung sind dennoch am 5. Juli in Berlin in einer Gesprächsrunde einiger Ministerien und der Treuhandanstalt übereingekommen, nur einen kleinen Teil der Finanzforderungen zu erfüllen. Bisher haben nach Ermittlungen Berlins 5.000 Betriebe Liquiditätsbürgschaften zur Überbrückung kurzfristiger Zahlungsschwierigkeiten bei der Treuhandanstalt beantragt.
Danach ergebe sich für den Monat Juli ein Mittelbedarf von 15,7 Milliarden und für das gesamte dritte Quartal von 24 Milliarden DM, berichtete Staatssekretär Günther Krause. Beide Seiten verständigten sich darauf, „diesen Betrag nicht anzuerkennen“, hieß es in einem vertraulichen Vermerk der Bundesregierung. Für Juli solle lediglich von fünf Milliarden DM ausgegangen werden, die auf die Antragsteller verteilt würden.
Weiter hieß es: „Mit dieser Begrenzung werden die Unternehmen gezwungen, alle eigenen Möglichkeiten zu nutzen, um ihr Überleben zu sichern. Unternehmen, die dies nicht bewerkstelligen können, müssen und sollen ausscheiden.“ Nach dem pauschalen Bewilligungsverfahren für solche Überbrückungshilfen im Juli, die notwendig werden, wenn die Einnahmen aus Verkäufen mit den sofort fälligen Lohn- und Materialzahlungen nicht schritthalten können, soll in den Folgemonaten nach Einzelfällen entschieden werden.
Die Berliner Regierung geht davon aus, daß von den 130 Milliarden DM Altschulden der Betriebe etwa 40 bis 50 Milliarden abgeschrieben werden müssen. Sie sagte der Bundesregierung zu, ein Konzept zu den Altschulden der sanierungsfähigen Unternehmen zu erarbeiten.
In dem Gespräch wurde außerdem festgestellt, daß die im DDR -Haushalt für 1990 enthaltenen zwei Milliarden DM für den Ausgleich nicht-kostendeckender Exporte in die Länder Osteuropas, vor allem in die Sowjetunion, nicht ausreichten. Zur Abwicklung der bisher eingegangenen Verpflichtungen seien bis zu 3,6 Milliarden DM erforderlich. Aus einem neuen Geschäft der DDR mit der Sowjetunion über Konsumgüter, Schuhe, Möbel und Textilien, das in Bonn offenbar unbekannt war, kämen nochmals 500 Millionen DM hinzu. Dem Vernehmen nach hat das Finanzministerium in Bonn eine entsprechende Aufstockung der Bürgschaft abgelehnt.
Zur Entwicklung der Schulden und des Finanzbedarfs der Betriebe äußerte sich auch der Wirtschaftssprecher der SPD -Bundestagsfraktion, Wolfgang Roth, gemeinsam mit dem stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden der Volkskammer, Frank Bogisch, in Bonn. „Klammheimlich“ verhandle die Bundesregierung jetzt offenbar doch über eine Entschuldung der Betriebe, nachdem sie monatelang die SPD-Forderung zurückgewiesen habe, die Altschulden zu streichen, sagte Roth. In der Bundesregierung hieß es, eine generelle Entschuldung der Betriebe ginge nicht an den Kern des Problems. Zumeist handele es sich um veraltete Produktionsanlagen oder nicht marktfähige Produkte. Hier müsse angesetzt werden, um wettbewerbsfähig zu werden.
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