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Keine Gnade für Aids-Kranken

München (dpa) - Ein akut an Aids erkrankter ehemaliger Drogenabhängiger muß zehn Monate in den Knast. In dem Berufungsprozeß um den Heroinbesitz des Angeklagten lehnte es das Landgericht MünchenI am Dienstag ab, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Der Anwalt des 36jährigen Mannes protestierte gegen das Urteil und kündigte Revision an. Die zehnmonatige Haftverbüßung komme für seinen Mandanten, bei dem die Immunschwächekrankheit voll ausgebrochen sei, einer lebenslangen Strafe gleich.

Die Berufungskammer hatte wegen der Vorstrafen „keine Gewähr für ein straffreies künftiges Leben“ gesehen. Auch die Aids-Erkrankung habe den Angeklagten nicht vor einem Rückfall bewahrt.

Der mehr als zwei Jahrzehnte drogenabhängige Mann hatte sich von seiner Sucht freigemacht, als er bei einer Untersuchung von seiner Infektion erfuhr. Er hatte eine feste Arbeit angenommen und Halt bei seiner Freundin und durch regelmäßige Kontakte mit der Aids-Hilfe gefunden, war jedoch im vorigen Oktober rückfällig geworden. Wie die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) gestern mitteilte, sei der Angeklagte von einem V-Mann der Polizei zum Erwerb des Heroins animiert worden.

Die DAH bezeichnete das Urteil gestern als zynisch und menschenverachtend. Der Fall zeige erneut, daß der Krieg gegen die Drogen in Wahrheit ein Krieg gegen Menschen sei. Grundregeln der Menschlichkeit würden für Drogenabhängige offenbar außer Kraft gesetzt. Die Menschlichkeit gebiete aber, daß alle Menschen mit Aids und HIV aus den Knästen entlassen werden.

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