: Keine Chance für Kleinparteien
■ Noch ist unklar, ob die DDR und die BRD bei künftigen gesamtdeutschen Wahlen getrennte Wahlgebiete sein werden. Eine Einigung auf eine gesamtdeutsche Fünfprozentklausel scheint sich durchzusetzen. Sicher ist nur: Gewählt wird am 2. Dezember
Gerangel um Wahlmodus bei gesamtdeutschen Wahlen
Gegen 1 Uhr nachmittags war klar: Nichts ist klar. „Sprecher der Koalitionsparteien erklärten, Entscheidungen seien in dem Gespräch nicht gefallen. Weitere Koalitionsgespräche seien erforderlich.“ So berichteten die Nachrichtenagenturen am Mittwoch mittag über ein Bonner Gespräch, in dem eigentlich hatte geklärt werden sollen, wie nun die gesamtdeutsche Wahl ablaufen soll. Fest stand nach dem Treffen der Koalitionsspitze allerdings nur der Termin 2. Dezember. Nach welchem Wahlgesetz DDR- und BRD-BürgerInnen an die Urnen gehen werden - auf diese heftigst umstrittene Frage hatten sich CDU/CSU auf der einen und die FDP auf der anderen Seite scheinbar noch nicht einigen können.
Noch nicht. Am Mittwoch verstärkte sich allerdings ein Eindruck der letzten Tage: CDU West und Ost bewegen sich auf die FDP zu. Vielleicht gilt für die Wahl am 2. Dezember nun doch die Fünfprozentklausel, bezogen auf das gesamte Wahlgebiet. Zwar hat Bundesinnenminister Schäuble seine letzte Forderung nach einer Fünfprozenthürde, bezogen nur auf das jeweilige Territorium, noch nicht zurückgenommen. Am Montag allerdings preschten schon einige Bonner CDU -Abgeordnete mit ihrem Verlangen an die Öffentlichkeit, gewählt werden müsse nach fünf Prozent einheitlich.
Am Dienstag widersprach Bundesjustizminister Engelhard (FDP) entschieden seinem Kollegen Schäuble (CDU): Daß „gleiches Wahlrecht für alle“ gelten müsse, sei ausgemachte Sache. Am Mittwoch morgen schließlich war auch bei der CSU von einem unterschiedlichen Wahlrecht nur noch am Rande die Rede: Zunächst sei die DDR gefragt, betonte CSU -Landesgruppenchef Bötsch auf die Frage nach den Sperrklauseln.
Die Opfer der
Fünfprozenthürde
Tatsächlich ist das Interesse der Konservativen an einer niedrigen Sperrklausel, die die kleinen Parteien in der DDR begünstigen würde, ziemlich geschrumpft. Die CSU ist seit dem Austritt der Minister Wilhelm Ebeling und Peter-Michael Diestel kein attraktiver Koalitionspartner mehr. Und die PDS, so glauben sie, werde eigentlich gar nicht gebraucht, um der SPD die Mehrheit zu vermasseln.
Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses Deutsche Einheit, Rita Süssmuth, favorisiert „aus demokratietheoretischen Gründen“ zwar ein einheitliches Wahlrecht in Ost und West. Sie befürchtet jedoch, daß bei einer solchen Abstimmung die Voten eines Drittels der Wähler in der DDR unter den Tisch fallen: Nur im Osten antretende Gruppierungen wie DSU, PDS oder das Bündnis 90 hätten keine Chance, gesamtdeutsch die FünfprozenthÜrde zu überwinden.
Das scheint die Abgeordneten der SPD, der FDP und eines immer größer werdenden Blocks in der CDU nicht zu interessieren. Im Gegenteil, sie setzen auf eine gemeinsame Fünfprozenthürde in Ost und West, um die kleinen Gruppierungen, vor allem die Grünen aus dem Parlament zu halten. Der Trick: Die Grünen müßten in der Bundesrepublik mindestens sieben Prozent erreichen, um bei einer gemeinsamen Wahl ins Parlament zu kommen. Sie hätten die zu erwartenden drei Prozent ihrer Schwesterpartei im Osten auszugleichen. „Eine Chance haben nach diesem Plan nur die Parteien mit einem starken Bruder im Westen“, klagt denn auch Marianne Birtler von den Grünen in der DDR.
Aus Angst, von den Altparteien überrollt zu werden, treten Teile der Bundestags-Ökos bereits den Rückzug an. Er sei zwar grundsätzlich gegen die Fünfprozentklausel, verkündete Eckhart Stratman-Mertens (hat geheiratet und trägt jetzt Doppelnamen). Er gehe jedoch davon aus, so der Realo in ihm, „daß es die Fünfprozenthürde geben wird“.
Deshalb schlagen Stratmann-Mertens und mit ihm die Realos in der Fraktion vor, die Klausel solle „wie bei der Wahl 1949 nur auf die Bundesländer bezogen gelten“. Eine Partei, die in Mecklenburg oder Bayern fünf Prozent erreicht, wäre damit im Parlament. Die Grünen könnten das schaffen, die kleinen Gruppierungen in der DDR wohl kaum.
Tina Stadlmayer und Ferdos Forudasta
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