: Keine Atempause, die Einheit wird gemacht!
■ Fortschritte bei den Verhandlungen zum Einigungsvertrag / Streitpunkte bleiben Finanzierung der DDR-Wirtschaft und die Hauptstadtfrage / Schäuble und Krause optimistisch / SPD betont Dissens
Berlin (taz/afp/dpa) - Die Hauptstadtfrage und die Organisation und Finanzierung des wirtschaftlichen Aufbaus im DDR-Gebiet sowie die Eigentumsfrage zeichnen sich als wesentlichste Streitpunkte der zweiten Verhandlungsrunde zum Einigungsvertrag ab. Der Verhandlungsführer der DDR, Staatssekretär Günther Krause, erklärte, es habe Fortschritte in den drei wesentlichen Bereichen der Rechtsangleichung, der Finanzmaßnahmen im Zusammenhang mit Strukturanpassung und der Umstrukturierung im öffentlichen Dienst gegeben.
Die DDR-SPD, die bereits am Mittwoch den von Krause vorgelegten Rohentwurf zum Einigungsvertrag scharf kritisiert hatte, erklärte, konträr zum Verhandlungsoptimismus von Innenminister Schäuble, die strittigen Punkte zwischen Ost-Berlin und Bonn seien noch lange nicht geklärt. Die SPD beharrt insbesondere in der Eigentumsfrage auf klaren Lösungen. Die Ergebnisse der Bodenreform müßten im Einigungsvertrag verbindlich anerkannt werden.
Für die Rechtsangleichung gibt es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen zwei Modelle: Danach muß entschieden werden, ob nur bestimmte Teile des Bundesrechts in die DDR übernommen werden oder ob umgekehrt das gesamte Bundesrecht in Kraft gesetzt wird und für vereinbarte Bereiche Ausnahmen und Übergangsregelungen geschaffen werden. Dies würde zum Beispiel für die Abtreibungsregelung gelten.
In der noch strittigen Hauptstadtfrage tritt die DDR für die Festschreibung von Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz im Einigungsvertrag ein, während die Bundesrepublik diese Entscheidung dem zukünftigen gesamtdeutschen Parlament überlassen will. Auch die DDR -Forderung nach einem Aufbauministerium für das dann ehemalige DDR-Gebiet ist nach Ansicht der bundesdeutschen Delegation nicht im Vertrag festzuschreiben.
Offen bleiben ebenso eine Reihe von Finanzierungsfragen, darunter die Teilnahme der ehemaligen DDR-Länder am Länderfinanzausgleich. Die DDR-Seite drängt auf eine schnelle Einbeziehung, die Bundesregierung will dies auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Umstritten ist überdies, wo die Treuhandverwaltung künftig angesiedelt sein soll.
Auch der Beitrittstermin der DDR zum Grundgesetz, um den es innerhalb der DDR-Regierungskoalition in den letzten Wochen heftige Auseinandersetzungen gegeben hatte, gehört nach wie vor zu den offenen Fragen der Einigungsverhandlungen. In diesem Zusammenhang warteten die bundesdeutschen Liberalen gestern mit einer neuen Variante auf. Generalsekretärin Schmalz-Jakobsen erklärte, angesichts der brisanten finanziellen Probleme der DDR sei auch ein Beitritt zum Termin der DDR-Landtagswahlen am 14.Oktober denkbar.
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