: Keine Arbeit für die Lohnsteuer
Dem Prostitutionsgesetz zum Trotz: Die meisten Huren sind noch immer nicht sozial abgesichert und die Bordellbetreiber wenig kooperativ
von ELKE SPANNER
Früher gehörte die Lüge zwangsläufig mit zum Beruf: „Hausfrau“ gaben die meisten Frauen an, die als Prostituierte arbeiteten und sich bei einer Krankenkasse meldeten. Heute könnte es damit vorbei sein – und ist es dennoch nicht. Denn nur ein Bruchteil aller Huren macht bisher von der Möglichkeit Gebrauch, den Beruf offiziell anzumelden – auf Lohnsteuerkarte und mit sozialer Absicherung. Arbeitsverträge bieten die Bordellbesitzer in Hamburg ihren Mitarbeiterinnen ohnehin nicht, es bleibt nur der Schritt in die „Selbständigkeit“. Eine soziale Absicherung von Prostituierten, resümierten deshalb gestern Hurenorganisationen am „Internationalen Hurentag“, ist „noch nicht erreicht“.
Seit Januar 2002 gibt es das neue Prostitutionsgesetz. Seither gilt Sexarbeit nicht mehr als sittenwidrig, so dass die Huren ihren Arbeitslohn einklagen können, wenn ein Freier diesen verwehrt. Außerdem sollte durch das Gesetz die Möglichkeit geschaffen werden, dass Prostituierte Arbeitsverträge mit den Bordellbetreibern abschließen, mit festem Gehalt und der Regelung der Arbeitszeit. Bekannt ist aber nur ein Bordellbesitzer in der Großen Freiheit auf St. Pauli, der Beschäftigungsverträge eingeht – mit festem Grundgehalt, aber ohne Kündigungsschutz.
Die Übrigen sind nicht „sehr kooperativ“, sagt eine Mitarbeiterin der Kaffee-Klappe, eines Sozialprojektes in St. Pauli: „Sie sind nicht bereit, Sozialabgaben für die Sexarbeiterinnen zu zahlen.“ Wollen diese ihren Beruf legalisieren, bleibt ihnen also nur die Selbständigkeit – in die sie in vielen Fällen durch die Polizei getrieben worden sind. Die nämlich hat die Razzien vor allem in den Betrieben auf St. Pauli seit Inkrafttreten des Gesetzes verstärkt. Daraufhin hätten die meisten Bordellbesitzer ihre Mitarbeiterinnen registriert.
Doch auch bei den Frauen selbst ist das Interesse an der Legalisierung ihres Berufes gering. Laut der Mitarbeiterin der Kaffee-Klappe hängt dies stark vom Alter ab: Eine 40-Jährige, die ihrem Beruf schon seit 20 Jahren nachgeht, blicke mehr in die Zukunft und freue sich darüber, diese jetzt absichern zu können. Viele junge Frauen aber glaubten, ihrem Beruf ohnehin nur kurzzeitig nachzugehen. „Die wollen das Geld, das sie in der Zeit verdienen, wenigstens für sich behalten.“
Dass erst so wenige Frauen ihr neues Recht in Anspruch nehmen, liegt aber auch daran, dass viele über die Konsequenzen verunsichert sind – Huren wie Beratungsstellen und Bordellbetreiber. Denn andere Gesetze, die ebenfalls auf die Prostitution anwendbar sind, wurden nicht angepasst, und klare Durchführungsanweisungen für die Behörden gibt es nicht. So können beispielsweise Arbeitgeber von Prostituierten immer noch der Zuhälterei angeklagt werden – was in Bayern passiert ist, nachdem Bordellbetreiber ihren Mitarbeiterinnen Arbeitsverträge angeboten hatten.
Die Hurenorganisationen weisen zudem darauf hin, dass rund 60 Prozent aller Prostituierten sowieso von vornherein von den zugesicherten Rechten ausgeschlossen sind: die Migrantinnen ohne festen Aufenthaltsstatus. Da deren Halblegalität oder Illegalität sie besonders in Ausbeutungs-und Abhängigkeitsverhältnisse drängt, fordert Veronika Munk von der Hamburger Organisation „amnesty for women“, Migrantinnen die legale Einreise zur Aufnahme ihrer Sexarbeit zu ermöglichen.