Kein echter Ausstieg aus Atomgeschäft: Siemens strahlt auch in Zukunft
Der Münchner Konzern steigt aus dem Atomkraftgeschäft mit Areva aus, plant aber schon die nächsten Atomabenteuer. Denn trotz aller Krisen geht es Siemens wirtschaftlich so gut wie lange nicht.
Ein Ausstieg hört sich anders an. "Der heutige Vorstand sieht Kernenergie klar als ein Feld, in dem wir unsere Fähigkeiten ausspielen können", sagt Siemens-Vorstandschef Peter Löscher am Dienstag vor der Hauptversammlung des Konzerns in der Münchner Olympiahalle. Wenige Stunden zuvor hat der Siemens-Aufsichtsrat die Zusammenarbeit mit dem staatlichen französischen Atomkonzern Areva gekündigt. Unter dem Namen Areva NP hatten die beiden Firmen seit 2001 Atomkraftwerke gebaut.
Der Mehrheitseigner aus Frankreich habe Siemens zu wenig Einfluss gelassen, heißt es in München. Areva gehörten bislang 66 Prozent des Joint Ventures, Siemens ein Drittel. Die Anteile werden nun an Areva verkauft. Und Siemens sucht schon jetzt nach Partnern für neue Atomkraftabenteuer. Der aussichtsreichste Kandidat ist Atomenergoprom, der staatliche russische Atomkonzern. Zusammen könnten sich beide Firmen zum Weltmarktführer im AKW-Bau aufschwingen. Atomenergoprom sei nur einer von mehreren möglichen Partnern, sagt Siemens-Chef Löscher. Man werde die Verhandlungen jetzt zügig aufnehmen. Denn während Siemens vor wenigen Jahren noch aus der Atomkraft aussteigen wollte, ist sie unter Löscher wieder wichtiger Teil der Unternehmensstrategie.
Aus dem Elektronik- und Dienstleistungskonzern der Ära Heinrich von Pierer hat der neue Chef einen wuchtigen Infrastrukturgiganten gemacht. Statt Handys und Laptops baut Siemens nun vor allem wieder Pipelines und Kraftwerke. Die blanken Zahlen geben Löscher Recht. Im vergangenen Quartal konnte Siemens seinen Umsatz trotz Wirtschaftskrise um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steigern, auf 19,6 Milliarden Euro. Das ergibt einen satten Gewinn von 1,2 Milliarden Euro nach Steuern. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt, die staatlichen Konjunkturpakete, die rund um die Welt aufgelegt werden, kommen dem Infrastrukturriesen zugute wie kaum einem anderen Konzern.
Zu dem Wachstum soll in Zukunft auch der Bau von Atomkraftwerken noch mehr beitragen. Bis 2030 würden weltweit rund 400 Reaktoren neu gebaut, schätzt man bei Siemens, dafür würden rund 1.000 Milliarden Euro investiert.
Dass die Deutschen beim Atom-Joint-Venture mit Areva zuletzt nur noch wenig Einfluss hatten, gilt auch als Auswirkung der französischen Energiepolitik. Präsident Nicolas Sarkozy möchte Frankreich im vermeintlich wachsenden Atomgeschäft an der Weltspitze positionieren. Areva spielt dabei die zentrale Rolle. Der Vertrag mit Siemens sieht bislang vor, dass der deutsche Konzern nach dem Ausstieg Areva acht Jahre lang nicht Konkurrenz machen darf. Diese Klausel werden die Siemens-Manager nun in den Verhandlungen mit Areva zu kippen versuchen. Zu den Details der Abmachungen will sich Löscher bislang nicht äußern. Auch nicht dazu, was mit den gemeinsam entwickelten Technologien passiert.
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