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Archiv-Artikel

Kein Spaziergang

ENTBINDUNG Die Zahl der Kaiserschnitte steigt – und damit auch die Angst vor Komplikationen. Doch mittlerweile ist die Operation selbst eine ziemlich sichere Angelegenheit, wenn es gelegentlich auch Nachwirkungen gibt

Kaiserlicher Schnitt

Infos im Netz: www.kaiserschnitt-netzwerk.de, www.geburtskanal.de, www.berliner-hebammenverband.de. Beim Hebammenverband kann man auch die Informationsbroschüre „Kaiserschnitt: Ja! Nein! Vielleicht?“ downloaden: www.berliner-hebammenverband.de/eltern/downloadsTipps vor Ort: Familienzelt Berlin: (030) 3 22 30 71, www.familienzelt-berlin.de. Pro Familia: (030) 39 84 98 98, www.profamilia.deLiteratur: Silvia Höfer/Nora Szász: Hebammen-Gesundheitswissen. Für Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach. Graefe und Unzer, 19,90 Euro

VON ANGELIKA FRIEDL

Ja oder nein oder auch vielleicht – vor dieser Entscheidung stehen viele schwangere Frauen. Und immer mehr wählen den Kaiserschnitt: 2008 erblickten bundesweit schon ein Drittel der Neugeborenen auf diese Weise das Licht der Welt. Dagegen lag in Berlin die Kaiserschnittsrate nur bei einem knappen Viertel. Was aber spricht für und was gegen eine sectio caesarae, wie der medizinische Fachausdruck lautet?

Viele Frauen wünschen einen Kaiserschnitt, weil sie Angst vor der Geburt haben. Andere weil sie den Geburtstermin genau datieren wollen. „Ich lege den Frauen aber immer ans Herz, sich gründlich beraten zu lassen“, sagt die Hebamme Ulrike von Haldenwang, die Vorsitzende des Berliner Hebammenverbandes. „Es ist wichtig, sich bewusst zu entscheiden und nicht in Panik zu verfallen.“ Dazu gehöre zum Beispiel auch nachzufragen, ob das Krankenhaus viel Erfahrung mit normalen vaginalen Geburten hat.

„Es gibt natürlich einige zwingende medizinische Gründe für einen Kaiserschnitt – wenn zum Beispiel ein Myom den Muttermund blockiert oder wenn das Baby quer liegt“, meint von Haldenwang. Auch in einigen anderen Fällen muss normalerweise operiert werden: die Mutter ist herzkrank oder mit dem Aids-Virus infiziert oder die Wand der Gebärmutter wurde schon einmal mit einem größeren Schnitt verletzt. Wenn das Baby zu schwer oder der Kopf zu groß geraten ist, empfehlen Ärzte oft einen Kaiserschnitt.

„Der Anstieg der Kaiserschnittrate hat sicherlich auch damit zu tun, dass Frauen heutzutage oft schwerer sind als in früheren Zeiten“, erklärt Klaus Vetter, Leiter der Geburtsklinik am Vivantes Klinikum Neukölln. Auch das Kind im Mutterleib wird dann schwerer. Und das Alter spielt natürlich eine Rolle: Je älter man ist, desto mehr Gewicht bringt der Mensch tendenziell auf die Waage. Eine allseits bekannte Tatsache, die auch auf ältere Schwangere zutrifft.

Bekommt das Kind zu wenig Sauerstoff, muss es ebenfalls per Kaiserschnitt geholt werden. Auch wenn es mit dem Popo nach unten im Bauch der Mutter liegt – die berühmte Steißlage –, greifen Ärzte in den allermeisten Fällen zum Skalpell. Was auch daran liegt, dass nur noch wenige Geburtshelfer die speziellen Entbindungstechniken für eine Steißlagengeburt beherrschen.

„Wenn eine Frau von vornherein nur ein Kind haben will, dann ist der Kaiserschnitt sicherlich eine Alternative“, sagt Professor Vetter. Denn im Allgemeinen empfehlen Ärzte bei der nächsten Geburt wieder einen Kaiserschnitt. Sonst können bei einer schon einmal operierten Gebärmutter schnell Probleme auftreten. Die gefährlichste Spätfolge ist hier die sogenannte placenta praevia, bei der der Mutterkuchen den Geburtskanal blockiert – es kann zu schweren Blutungen kommen, manchmal muss die Gebärmutter entfernt werden. Nach einer britischen Studie ist dieses Risiko nach einem Kaiserschnitt um dreißig bis sechzig Prozent erhöht.

Insgesamt gesehen ist jedoch die Rate leichter Komplikationen bei den Müttern nach einer normalen Geburt etwas höher als nach einer sectio caesarae. Damit sind Geburtsverletzungen gemeint wie Scheiden-Dammrisse und Störungen bei der Wundheilungen, die vor allem bei vaginalen Geburten auftreten. Der Kaiserschnitt selber, die Operation, ist also eine ziemlich sichere Angelegenheit.

Es ist wichtig, sich bewusst zu entscheiden und nicht in Panik zu verfallen

Ein Spaziergang ist es aber nicht. Die Geburtsschmerzen erspart frau sich zwar, dafür tut der große Schnitt in die Bauchdecke später weh. Bis zu vier Tage dauern die Schmerzen, nicht jedoch wochenlang, wie manchmal zu lesen ist. Auch nach einer Voll- oder einer Spiralanästhesie leiden die Mütter wie bei jeder Operation gelegentlich unter Beschwerden, unter anderem an Kopfschmerzen, Brechreiz oder allergischen Reaktionen.

Die gefürchteten Wundinfektionen, die noch Mitte der 90er-Jahre bei fünf bis zehn Prozent lagen, sind dagegen deutlich zurückgegangen, dank routinemäßig verabreichter Antibiotika. Ein Kaiserschnitt mindert das Risiko einer Blasenschwäche, das bei vaginalen Geburten höher liegt. Allerdings handelt es sich in der Regel sowieso um ein vorübergehendes Problem. Bekanntlich lässt es sich mit einem Beckenbodentraining gut in den Griff bekommen.

Wie aber geht es dem kleinen Wesen, das mit einem Kaiserschnitt auf die Welt kommt? Zweimal bis viermal so häufig wie bei einer Spontangeburt ringt das Kind um Luft, weil die Lungen nicht so stark gepresst wurden wie bei einer normalen Geburt, was Voraussetzung für ihr gutes Funktionieren ist. Manchmal kommt es auch zu Atemstörungen, weil noch Fruchtwasser in den Lungen steckt, das normalerweise herausgedrückt wird.

Die Hebamme von Haldenwang hat in ihrer Praxis öfters erlebt, dass es Müttern nicht so leicht fällt, eine tiefe Bindung zum Kind aufzubauen. Ein Grund könnte sein, dass die Mutter selbst noch viel Pflege braucht und sich nicht so sehr um ihr Baby kümmern kann. „Es ist daher umso wichtiger, dass Kind viel zu halten und es sich oft auf die Brust zu legen“, sagt von Haldenwang. Der Neuköllner Arzt Klaus Vetter weist dagegen die Behauptung, nach einem Kaiserschnitt sei die Mutter-Kind-Beziehung schlechter als nach einer Spontangeburt, in das Reich der Mythen. „Es gibt keine Studien, die das sicher nachweisen.“