piwik no script img

Kein Revolutionär-betr.: "de Sade und die Revolution", taz vom 10.7.89

betr.: „de Sade und die Revolution“, taz vom 10.7.89

Was ist Euch bloß eingefallen, Niels Werbers Huldigung an den Marquis de Sade ohne SäzzerInnenkommentar zu veröffentlichen? Dieser Einpeitscher eines sehr männerbündischen Herrenmenschensadismus „schuf“ in „Werken“ wie Die 120 Tage von Sodom die folgende Hierarchie: „Libertins“ (zu deutsch Aufseher) toben sich an „Gehilfen“ (zu deutsch Kapos) und, vor allem, mit diesen zusammen an wehrlosen Opfern (auch zu deutsch wehrlose Opfer) aus. Diese „Werke“ sind nichts weiter als KZ-Phantasien und lassen einigen Aufschluß über die Wesensart der führenden Nationalsozialisten, ihrer ausführenden Gehilfen und anderer Diktatoren samt ihren Ausführenden zu. Da de Sade seine „revolutionäre“ Folterer-Einstellung leider nicht nur in Wichsbüchern ausließ, betätigte er sich nebenher als Vergewaltiger. Da seine Opfer „Huren“ und andere, verachtete Lumpenproletarierinnen waren, hat ihm bis zum heutigen Tage kein fortschrittlicher linker Herrenmensch das bißchen Gewalt verübelt.

Gudrun Meyer, Rimbach 1

Ich lese Artikel über den angeblichen Revolutionär de Sade normalerweise nicht, weil ich mich eh bloß darüber ärgere. Was ist an ihm eigentlich so „revolutionär“? Daß er im Knast war - bei bester Beköstigung, Seidentapeten...? Daß er seine Dienstmädchen nicht einfach vergewaltigte, folterte und umbrachte, sondern auch noch Bücher darüber schrieb?

Was würde man(n) wohl davon halten, wenn Röhm als Revolutionär gehandelt würde - weil er doch gegen das „System“ (von Weimar) war, schwul war er auch, und schließlich wurde er ja ermordet - was machen da ein paar Morde seiner SA schon aus? Aber de Sade hat ja keine Linken ermordet, sondern nur ein paar Dienstmädchen; der Vergleich ist also ganz unpassend.

de Sade war gegen die Todesstrafe! Ja, er war gegen die Guillotinierung adliger und bürgerlicher „Größen“ durch den jakobinischen Pöbel - während die Folter und Ermordung von ein paar primitiven Bauernmädchen ihn wohl genausowenig störte wie seine pseudo-linken Bewunderer von heute.

Hans, München

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen