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■ Kein Platz für Feudalherr ReuterSchloßattrappe reicht

Er sei ansprechbar, wenn eine Regierung gebildet werde, für einen Wahlkampf hingegen stehe er „mit Sicherheit“ nicht bereit, lautet die Kernaussage des scheidenden Daimler-Benz-Chefs Edzard Reuter. Seitdem sich der SPD-Mann am Montag über den Spiegel in die Berliner Politik eingeklinkt hat, werden die Verantwortlichen in der Großen Koalition den Geist aus Stuttgart nicht mehr los. So, als säße er schon längst auf der Senatsbank, wird der Manager mit Samthandschuhen angefaßt und politisch geschont. Dabei ist Reuter bei näherer Betrachtung schon wieder aus dem Spiel. Denn mit seinen markigen Sprüchen düpiert er – unabhängig von der Farbschattierung – alle diejenigen, die sich überhaupt in die seiner Ansicht nach niederen Gefilde der Politik begeben. Mit der Geste eines aufgeklärten Feudalherren wendet er sich an sein Volk und bittet um Zustimmung. Doch vom Volk, das zumindest noch Argumente hören will, will sich Reuter lieber fernhalten: wenn die Parteien gewählt sind und das kühle Kalkül der Schlammschlacht des Wahlkampfes folgt, dann steht er bereit. So einfach sieht offenbar die Welt eines Spitzenmanagers aus, der es bislang gewohnt war, daß man seinen Anweisungen Folge leistet. In technokratisch-herrischer Manier wischt er die Probleme der Stadt hinweg: Brandenburger Tor? Durchfahrt für alle. Geschwindigkeitsbegrenzungen gegen die Ozonbelastung? Eine unsinnige Diskussion. Da spricht Reuter, der Auto-Lobbyist eines Großkonzerns. Solcherart Gedankengänge finden sich, heimlich und offen, auch bei diversen Spitzenpolitikern des Senats. Von den Visionen, von denen der Kopf des Mannes aus Stuttgart angeblich voll sein soll, ist jedenfalls nichts zu spüren. Severin Weiland

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