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Kein Paradies für Migrantinnen

■ Senat warnt AusländerInnen vor deutschen Gesetzen und Zuhältern / „amnesty“ fordert Legalisierung von Sexarbeit Von Kaija Kutter

Ein löbliches Vorhaben stellte Frauensenatorin Christina Weiss gestern der Öffentlichkeit vor. Zusammen mit „amnesty for women“ hat ihr Senatsamt eine Info-Broschüre für Frauen aus Lateinamerika, Philippinen, Thailand und Osteuropa erstellt, die ihr Glück in Deutschland versuchen wollen.

„Viele Frauen ahnen nicht, was sie hier erwartet“, sagte Weiss. Sie verschulden sich in ihrem Heimatland, um nach Deutschland zu kommen, und geraten dadurch in einen „Teufelskreis von Prostitution, Illegalität und Isolation“. Inzwischen sei jede vierte Hamburger Prostituierte Migrantin.

Die Broschüre „Deutschland, ein Paradies für Frauen?“, die in sechs Sprachen übersetzt über deutsche Botschaften und Frauenverbände der betreffenden Länder verteilt wird, soll daher über Risiken aufklären und nützliche Hinweise geben, „ohne schwarzmalend oder drohend zu sein“.

Doch die Fakten, die die Mitarbeiterinnen von „amnesty for women“ gestern offerierten, zeichneten schon ein sehr düsteres Bild. Denn selbst bei Befolgung aller Ratschläge gibt es für Nicht-Europäerinnen kaum eine Chance, legal nach Deutschland zu reisen. Eine der wenigen, neben der Heirat mit einem Deutschen, ist die Beantragung eines Touristenvisums. Aber dieses ist nur für drei Monate gültig und beinhaltet keine Arbeitserlaubnis. Für eine Arbeitsgenehmigung benötigt die Frau den Nachweis, daß keine Deutsche und keine EG-Bürgerin den Job haben will. Gängige und schlechte Lösung ist daher das meist von Schlepperorganisationen für teures Geld vermittelte „Künstlervisum“, das nur die Arbeit als Tänzerin erlaubt.

„Die Frauen denken, daß sie hier kulturelle Tänze vorführen sollen“, erläutert Broschüren-Autorin Katja Habermann. Doch in der Realität sind sie den Bedingungen der Club-Besitzer ausgeliefert und müssen nebenher sexuelle Dienste anbieten. Die Krux: Betätigt sich die Frau als Prostituierte, begibt sie sich ausländerrechtlich in die Illegalität und ist jederzeit mit der drohenden Abschiebung erpreßbar.

Als jüngst zwei Thailänderinnen vor Gericht gegen einen Kiez-Zuhälter aussagten, war ihnen das nur möglich, weil sie ihren Aufenthalt durch Eheschließungen sichern konnten. Ansonsten, so Habermann, gibt es keine Chance, aus der Illegalität wieder herauszukommen. Eine Aussage vor der Kripo führe allenfalls zur Duldung bis zum Ende des Prozesses.

Dennoch hofft Christina Weiss mit der Broschüre auch bereits hier lebende Frauen zu erreichen, die bereit sind, gegen Menschenhändler und Zuhälter auszusagen. „amnesty for women“ fordert zudem andere Gesetze, um den Kreislauf der Diskriminierung zu durchbrechen. Auch „migrierte Frauen“ müßten „hier legal anschaffen können“, sagte Katja Habermann. Bloße Abschreckung sei keine Lösung, ergänzte „amnesty“-Mitarbeiterin Vicky Morales-Seifert: „Wenn die wirtschaftliche Lage in den Heimatländern sich nicht verbessert, gehen die Frauen in andere Länder“.

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