: Kein Machtwechsel
Bei den Parlamentswahlen in Finnland setzt sich die regierende liberal-konservative Zentrumspartei durch
STOCKHOLM taz ■ Bei den finnischen Parlamentswahlen am Sonntag hat sich die regierende liberal-konservative Zentrumspartei trotz Verlusten auf Platz eins behaupten können. Sie erreichte 23,1 Prozent der Stimmen und wird auch in der kommenden Legislaturperiode mit Matti Vanhanen den Premier stellen.
Für eine Überraschung sorgte die konservative Sammlungspartei. Sie kam auf 22,3 Prozent der Stimmen und verbuchte mit einem Plus von 3,7 Prozent den höchsten Stimmenzuwachs. Ihr 35 Jahre alter Vorsitzender Jyrki Katainen galt als chancenlos. Es gelang ihm aber offenbar, an das Rezept seines schwedischen Parteifreunds Fredrik Reinfeldt anzuknüpfen, der die Konservativen im vergangenen Herbst als „neue Arbeiterpartei“ zum Sieg geführt hatte. Zum Spektrum der Sammlungspartei gehören aber auch Parlamentarier, die mit rassistischen Äußerungen nun den Sprung in den Reichstag geschafft haben.
Erstmals seit 1962 wieder nur drittstärkste Kraft wurden mit 21,4 Prozent die Sozialdemokraten. Als Resultat dieses Wahlergebnisses dürfte es vermutlich eine Rechtskoalition zwischen Zentrum und Konservativen geben. Damit würde eine 12-jährige Periode zu Ende gehen, in der die Sozialdemokraten mit wechselnden bürgerlichen Koalitionspartnern Finnland nicht nur aus einer der schwersten wirtschaftlichen und sozialen Krisen heraus, sondern das Land auch in die EU geführt haben. Dabei scheint es gerade diese Kompromissbereitschaft gewesen zu sein, für die die Sozialdemokraten bestraft wurden. Dafür sprechen dramatische Einbrüche in traditionellen „roten“ Wahlkreisen mit hohem Anteil an Industriearbeitern. Auch viele RentnerInnen fühlten sich von einer Partei, die zur Finanzierung von Steuersenkungen für Unternehmen und Gutverdienende in der Alten- und Gesundheitsfürsorge kürzte, nicht mehr vertreten.
Am rechten Rand konnten die „Wahren Finnen“ („Perussuomalaiset“) ihren Stimmenanteil von 1,6 auf 4,1 Prozent erhöhen und werden im Reichstag vertreten sein. Obwohl Finnland in der EU einen der niedrigsten Ausländeranteile hat, gewannen sie mit der Forderung nach einer Verschärfung der Ausländerpolitik.
Während der Anteil von Frauen von 37,5 im alten auf 42 Prozent im neuen Parlament auf ein Rekordniveau stieg, schaffte die Grünen-Chefin Tarje Cronberg nicht mehr den Sprung in den Reichstag. Auch insgesamt war für die Partei das Ergebnis von 8,5 Prozent enttäuschend. Obwohl es an Umweltthemen nicht mangelt, hatten die Grünen ihre Kampagne vor allem mit der Forderung nach Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens bestritten. Das wurde ebenso wenig gedankt wie ihre Kompromissbereitschaft. Die geht so weit, dass für die Grünen die Entscheidung für den Neubau eines weiteren Atomreaktors kein Grund wäre, sich an einer solchen Regierung nicht zu beteiligen. REINHARD WOLFF
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