: Kein Einlenken der bosnischen Serben
■ Wieder Nato-Luftangriffe auf serbische Stellungen. Holbrooke erwartet ein schwieriges Außenministertreffen in Genf. Erstmals wird ein kroatischer Kommandant in Den Haag angeklagt
Zagreb/Sarajevo (afp/dpa/AP/ taz) – Drei Tage vor der geplanten Außenministerkonferenz in Genf hat die Nato gestern ihre Angriffe auf Stellungen der Serben in Bosnien fortgesetzt. Die Schnelle Eingreiftruppe zerstörte vom Berg Igman aus serbische Stellungen um Sarajevo. Die Serben hatten am Dienstag abend und gestern morgen Granaten auf die Stadt abgefeuert. Dabei waren mindestens drei Kinder verletzt worden. Serbische Heckenschützen töteten gestern in Sarajevo einen Fußgänger, ein weiterer wurde verwundet. Beim serbischen Beschuß von Tuzla wurden nach Regierungsangaben drei Zivilisten getötet und fünf verwundet.
Serben-General Ratko Mladić weigert sich offenbar nach wie vor, seine schweren Waffen aus der Sperrzone von 20 Kilometern um Sarajevo abzuziehen. „Wir sehen keine substantiellen Bewegungen von schweren Waffen aus Sarajevo heraus“, sagte UNO-Sprecher Philip Arnold gestern nachmittag in Zagreb. Die Sicherheit der UNO- Schutzzonen in Bosnien sowie der serbische Artillerieabzug aus Sarajevo und der freie Zugang zur Stadt stellten das Ziel der Nato-Luftangriffe dar, so Arnold.
Arnold bestätigte, daß ein Mitglied des Präsidiums der selbsternannten Serbenrepublik in einem Telefonat mit dem UN-Sonderbeauftragten für Ex-Jugoslawien Yasushi Akashi erklärt hat, die bosnischen Serben hätten die „Absicht“, ihre Artillerie abzuziehen. Eine Nachricht von Mladić habe es aber nicht gegeben, sagte Arnold. Der UN-Kommandeur in Sarajevo, Rupert Smith, hat Mladić nach UNO-Angaben präzise Anweisungen für den Abzug der Artillerie vorgegeben, darunter die vorgesehenen Abzugswege.
In einer Bilanz der vor einer Woche begonnenen Angriffe teilte die Nato mit, daß bislang insgesamt 1.500 Einsätze geflogen worden sind, mehr als die Hälfte von US-Flugzeugen.
Der US-Vermittler Richard Holbrooke ist gestern mit dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman zusammengetroffen. Holbrooke hatte am Vortag in Belgrad mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević gesprochen. Holbrookes Pendel-Diplomatie dient auch der Vorbereitung eines Treffens der Außenminister Bosniens, Kroatiens und Rest-Jugoslawiens am Freitag in Genf. Holbrooke bezeichnete das geplante Treffen gestern als schwierig. Haupthindernis für eine Lösung seien die bosnischen Serben, sagte Holbrooke.
Der UN-Vermittler Thorvald Stoltenberg erklärte gegenüber dem Stern, die Chancen für einen Frieden auf dem Balkan seien noch nie so gut gewesen. Friede lasse sich zwar nicht herbeibomben. Aber wenn die Genfer Gespräche konsequent geführt würden, könne es „in wenigen Wochen endlich zum Frieden kommen“.
Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat erstmals einen Kroaten angeklagt. Der Chefankläger des Tribunals, Richard Goldstone, wirft dem Kommandanten Ivica Rajić vor, am 23. Oktober 1993 den „ungesetzlichen Angriff“ kroatischer Streitkräfte auf das von Moslems bewohnte Dorf Stupni Do in Zentralbosnien geleitet zu haben. Dabei wurden nach Angaben von Goldstone mindestens 16 Zivilisten getötet. Die Kroaten zerstörten das Dorf und zwangen die rund 230 überlebenden Bewohner zur Flucht.
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