■ Kaum zu glauben: Wenig Sorge um Babys Zähne
Die Firma Helly in Hanau wird sich vor dem Frankfurter Landgericht verantworten müssen, weil sie laut Klageschrift Babynuckelfläschchen aus Plastik ohne ausreichenden Warnhinweis verkauft. Plastikfläschchen müssen stets einen Hinweis auf schwere Gebißschäden tragen, die drohen, wenn Eltern sie ihren Kindern zum Dauernuckeln geben. Sie sind nach Aussage des Gießener Zahnmediziners Professor Willi-Eckhard Wetzel die Hauptursache für das sogenannte Baby-Bottle-Syndrom, bei dem den Kindern die Zähne wegfaulen.
Das Problem gibt es seit Mitte der 70er Jahre. Damals wurden die Plastikfläschchen eingeführt, die inzwischen einen Marktanteil von über 90 Prozent erreicht haben. Babys können sie im Gegensatz zu den vorher üblichen Glasflaschen selbständig halten, ihre Zähne sind oft stundenlang von Säure und Zucker umspült. Weil die Flasche bequem ist, geben viele Eltern sie auch dann, wenn ihr Kind längst aus der Tasse trinken könnte. Laut Professor Wetzel leiden inzwischen bis zu sieben Prozent der Kinder bis zu fünf Jahren am Baby-Bottle-Syndrom.
Die Firma Milupa, die im Zusammenhang mit gesüßten Kindertees zu Schadensersatz verurteilt worden war, nahm ihre Plastikflaschen vom Markt. Das schert die Kunststoffindustrie wenig. Sie macht weiterhin intensive Werbung für die Plastikflasche. Die Firma Helly brachte sogar Modelle mit Durchgreifmöglichkeit heraus, die das Halten der Flasche fürs Kleinkind noch leichter machen.
Den Warnhinweis hält der Frankfurter Verbraucheranwalt Christoph Kremer für „ungenügend“, weil er drohende Schäden verschweigt und keine Altersbegrenzung trägt. Helly-Prokurist Werner Einschütz: „Das bleibt den Eltern selbst überlassen. Wir haben unsere Schuldigkeit getan.“ as
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