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Kauft Springer die taz?

■ betr.: Trockenlegung des linken Zeitungssumpfes

GERÜCHTEKÜCHE

betr.: Trockenlegung des linken Zeitungssumpfes

In der Chefetage des Cäsar-Verlages soll eine Strategiekonferenz zum Thema „Trockenlegung des linken Zeitungssumpfes“ stattgefunden haben. Sie war, wie man hört, lange geplant und gut vorbereitet.

Anlaß für die Planung war seinerzeit das Bubenstück der tazler, als erste bundesdeutsche Tageszeitung mit eigener Redaktion den Fuß auf Ostberliner Gebiet gesetzt zu haben. Nun wollte man über Konsequenzen beraten.

Zweierlei lag vor. Zum ersten ein bis ins feinste gesponnenes Konzept zur Übernahme der taz, von der nur der Name bleiben sollte. Zum zweiten eine von renommierten Politikwissenschaftlern, Soziologen und Psychologen ausgearbeitete Studie über Inhalte und mögliche Wirkungen des vermeintlich ketzerischen taz-Journalismus. Diese Studie dürfte die taz gerettet haben.

Sie zerstreute nicht nur Befürchtungen, sie kam sogar zu dem verblüffenden Schluß, daß die taz, wie sie jetzt ist, unverzichtbar sei als eine Stimme im Ensemble deutschnationaler Willensbildung. Gerade die Demontage tiefsitzender linker Utopien und kosmopolitischer Wahnvorstellungen, von denen noch immer viele DDR-Bürger, wenn auch nicht die Mehrheit, so doch häufig Multipolikatoren und junge Suchende, behaftet seien, könne von einer sich rundum kritisch gebenden Publizistik im taz -Stil weit besser geleistet werden als von den auf den Masseninstinkt ausgerichteten hauseigenen Blättern.

Ähnliches gelte für die Zerstreuung eines weiteren Übels, des in der „Revolution“ aufgeflammten Bürgerbewußtseins, das keine ökonomische Basis habe, also auch kein Existenzrecht, und das, falls es nicht in merkantile Bahnen gelenkt oder in Resignation ertränkt werde, den sozialen Frieden zu beeinträchtigen drohe. Handlungsbedarf in Sachen taz hätten die Gutachter nur dann gesehen, wenn das Blatt, was anfangs durchaus zu befürchten war, dem nationalen Gedanken ernsthaft in Mißkredit gebracht, ihm womöglich ohne Rücksicht auf alle Opportunität den einer europäischen Konföderation oder gar den einer multikulturellen Welt, die nicht aus Nationen, sondern aus Individuen mit gleichen Rechten in unterschiedlichen Kulturen bestünde, gegenübergestellt hätte. Handlungsbedarf wäre auch dann gegeben, hieß es weiter, wenn die taz versucht hätte, das Selbstwertgefühl der ostdeutschen „Revolutionäre“ zu kultivieren, was verhängnisvoll nicht nur für die Noch-DDR gewesen wäre.

Daß von der - obschon gewaltfreien - Zerschlagung eines der bestorganisierten Geheimdienste überhaupt keine Signalwirkung nach Westen ausging, rechneten die Gutachter an dieser Stelle der taz hoch an. Denkbar, meinten sie, wäre doch auch ein täglicher Aufmacher mit der penetranten Frage gewesen, ob Geheimdienste, Spitzel und V-Männer nicht hüben wie drüben entbehrlich seien. Und, so zeichneten sie im Angesicht schreckensbleicher Springer-Manager das Inferno weiter, wäre nicht auch eine Veröffentlichung aller Verfassungsschutz- und BND-Adressen denkbar? „Nein!“ soll da eine scharfe Stimme gerufen haben. Die Gutachter blieben gelassen. „Eben“, antworteten sie und fuhren fort. Denn sie wollten ihre taz-Analyse nicht allein auf das Lob von Unterlassungen gründen.

Sie fanden nämlich beispielhaftes, von dem selbst Springers Leute lernen sollen. Etwa die feinsinnigen Fußtritte der Freya Klier oder den stolzen deutschen Satz von Arno Widmann: „Mehr noch: eine Gesellschaft, die weit über die Hälfte ihrer Mitglieder mit dem höchsten Lebensstandard verwöhnt, der in der Geschichte der Weltbevölkerung - daran werden wir uns gewöhnen müssen (!) - nicht abschreckendes Beispiel, sondern realexistierende Utopie.“ Bis hin zu Brigitte Fehrles gutem Rat, gerade für die Menschen in der DDR gebe es gute Gründe, ihre Stimme schnell abzugeben.

Rechte Worte zur rechten Zeit, befanden die Experten im Springerturm. Rechter könne man's nicht machen. Ihre Studie muß überzeugt haben. Das Übernahmekonzept bleibt vorerst in der Schublade.

Franz Jürg, Berlin 1170

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