Katzenmotive, Fischernetze, Plastikmüll: Neues zum Thema Strumpfhose: Echt lieber glücklich als überrascht
ausgehen und rumstehen
von Jenni Zylka
Was ist denn hier los?! Am Donnerstag macht der Fahrer einer U7 seine Durchsage zu irgendeiner Verspätung in astreinem bayerischen Dialekt, und natürlich achtet keiner auf den Inhalt, denn alle sind geschockt, dass ein Bayer am Steuer sitzt: „Nobody here believes him, because he’s obviously not from Berlin“, erklärt ein junger Mann seinem amerikanischem Besuch, und wir Umstehenden nicken eifrig, denn Englisch, yes, we can, aber Bayerisch, ja mei, wat soll’n ditte? Nachher verfährt der Bazi sich noch auf der Suche nach dem blöden Marienplatz?!
Später steigt am Mehringdamm noch ein Habenichts in die U7, der sich als gescheiterte Existenz aus München vorstellt und sein Anliegen ebenfalls mundartlich unterstützt – nicht, dass die beiden zur gleichen Familie gehören, ich sehe Elterntrennungsdramen, Vater und Sohn wandern zu den Saupreissn aus, wo der Sohn auf die schiefe Bahn gerät, die schiefe U-Bahn nämlich, ha, und jetzt trotzig in genau in der Linie schnorren geht, die sein Vater steuert … aber vielleicht gehen die Rössl mit mir durch, oder wie das heißt.
Die U-Bahn verfuhr sich jedenfalls doch nicht, und so konnte das Wochenende sexy und nachhaltig gleichzeitig werden – wegen der Green Fashion Show im Rahmen der Modewoche, auf der ich eine Strumpfhose aus Econyl in meinem Doggy Bag vorfand und gleich begeistert zum todschicken Kleid kombinierte. Econyl-Garn besteht nämlich aus regenerierten Plastikabfällen wie herrenlosen Fischernetzen, die 450 Jahre lang durch die Meere treiben, ohne sich zu zersetzen, und dabei noch jede Menge unschuldige MeeresbewohnerInnen erwürgen (oder zu Gurus machen wie den Pinguin „Lovelace“ aus „Happy Feet“, dessen um den Hals hängender Sixpack-Polyethylenring von ihm als „Talisman“ bezeichnet wird, jedenfalls anfangs, später wird er schlauer und erkennt, dass es sich um menschgemachten Ozeanmüll handelt). Aus diesem Müll Strumpfhosen weben zu lassen klingt in meinen Ohren jedoch wie ein Spitzenplan, zumal der Hersteller sinnigerweise auch eine echte Fischernetznetzstrumpfhose im Programm hat, toll.
Samstag trug ich das Ökobeinkleid gleich ins Monarch zum Konzert vom Kyuss-Mitgründer und -Exbassisten Chris Cockrell, der unter dem Namen „Vic Du Monte’s Berlin Band“ mit drei Kollegen dort ein herrliches Garagenrockkonzert spielte, das einen vielleicht nicht überraschte, aber glücklich machte. Was ja mit vielen Dingen so ist. Und viele Menschen sind eh lieber glücklich als überrascht.
Nicht träumen lassen hätte sich zum Beispiel Julie, Sängerin von „Half Girl“, die Sonntagabend in der Volksbühne spielten, dass ihre Songzeile „Ich bin im Zeichen des Donald geboren“ noch mal einen so überraschenden Beigeschmack bekommen würde. Denn früher, zu Julies Zeiten, da war Donald natürlich ausschließlich der tölpelige, bitterarme Erpel und nicht der mächtige Irre mit der Fasanenfrise. Aber die Band spielte trotzig und in einer energetischen Mischung aus Breeders und Thee Headcoatees über diese Tatsache hinweg, und das war das Beste, was sie machen konnte.
Überhaupt ist es wunderbar, dass einem (und allen) zwischenzeitlich derartig viele Referenzbands einfallen, wenn es um All-Female-Groups geht, dass man das überflüssige All-Female ja hoffentlich bald endlich mal streichen und sich auf die Musik konzentrieren kann. Denn wenn es rockt, ist mir schnurz, wer es rockt. Und apropos Rock (der Witz ächzt, bietet sich aber leider an): Weil Julie nämlich einen trug, konnte man prima ihre Strumpfhosen mit Katzenmotiv bewundern – aber ob die denn auch nachhaltig und aus alten Fischernetzen sind? Ach, bestimmt. Half Girl, half Ecoactivist.
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