piwik no script img

Katrin Seddig Fremd und befremdlichEin Museum ist ein Sonntagsort, warum nicht auch die Bücherhalle?

Foto: Lou Probsthayn

Katrin Seddig ist Schrift-stellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Sollten die Bücherhallen am Sonntag öffnen dürfen? Der kulturpolitische Sprecher der Hamburger CDU-Fraktion, Dietrich Wersich, meint, das wäre eine gute Idee. Ich bin eigentlich gegen alle Sonntagsarbeit, weil der Sonntag ein Tag der Ruhe sein sollte. Das sage ich nicht als Christin, weil ich keine Christin bin, das sage ich als ein Mensch, der die Ruhe schätzt.

Ich schätze nicht den verkaufsoffenen Sonntag. Der Mensch muss nicht kaufen. Der Mensch kauft viel zu viel. Ständig kauft der Mensch und zerstört damit direkt seine Umwelt und den Planeten. Würde der Mensch weniger kaufen, dann würden weniger LKWs durch die Stadt fahren, weniger Verpackung würde gebraucht, weniger Energie, usf. Das Gekaufe in der Stadt geht mir auf die Nerven.

Die Teenager verbringen ihre Freizeit so. Sie fahren in die Stadt, so heißt das in Hamburg, wenn man von einem Stadtteil, welchem auch immer, in die Innenstadt fährt, um ihre wertvolle Freizeit mit Kaufen zu verschwenden. Sie sagen nicht ‚Kaufen‘, sie sagen ‚Holen‘. Ich hab mir dies und jenes geholt. Dieses ‚Gehole‘ geht mir also sehr auf die Nerven, weil ich denke, es würde uns allen besser gehen, wenn weniger geholt und mehr gedacht und engagiert würde. Mehr geträumt und gemalt, gelesen und gesungen, spaziert und unterhalten.

Ich bin also gegen die Sonntagsarbeit in Geschäften, ich halte die Sonntagsarbeit in Museen aber für angebracht. Denn das ist es, was die Menschen am Sonntag wirklich tun können: Ein Museum besuchen. Museen sind gerade für Sonntage gemacht. Kein Mensch würde auf die Idee kommen, dass ein Museum nicht an einem Sonntag geöffnet sein sollte.

Ein Museum ist ein Sonntagsort. Ein Ort der Ruhe, des Betrachtens, des Dazulernens, ein Ort des Schönen und des Genießens. Ein Sonntagsort ist auch die Schwimmhalle. Die Schwimmhalle muss an einem Sonntag geöffnet sein, weil die Menschen an einem Sonntag die Zeit dafür haben. Sie haben frei. Sie müssen nicht kaufen, denn das Kaufen ist ja nicht möglich. Sie können schwimmen. Das Schwimmen tut den Menschen gut. Es dient ihrer Erholung.

Und ich frage mich, ob die Bücherhalle sich nicht in diese Reihe der Orte der guten und wertvollen Freizeit einreiht. Ist denn nicht auch das Lesen eine angemessene Beschäftigung für einen Sonntag? Das Bilden? Ich selbst bin öfter in der Zentralbibliothek am Hühnerposten. Da sitzen so viele Menschen und lesen und lernen, es ist eine Freude in dieser Atmosphäre selbst tätig zu sein. Sie lernen Deutsch oder für das Abitur. Sie recherchieren und stöbern, die Rentner sitzen in den Sesseln und lesen die ausliegenden Tageszeitungen, sie blättern in Bildbänden und leisten sich unten in dem kleinen Café einen Tee und ein Stück Kuchen.

Die Zentralbibliothek am Hühnerposten ist ein ganz wunderbarer Ort. Vormittags in der Woche ist es relativ ruhig dort, ich war aber jetzt an einem Samstag dort, da ist es ganz etwas anderes, da kommen die Berufstätigen, da kommen die Familien mit den Kindern, die in der normalen Arbeitswoche gar keine Zeit für Bücher finden. Und es gibt ja auch Filme, die Bücherhalle hat eine ganz hübsche Auswahl an Filmen. Warum also die Bücherhalle nicht am Sonntag öffnen? Oder es wenigstens erlauben?

Ist denn nicht auch Lesen eine angemessene Beschäftigung für einen Sonntag?

Im Grunde frage ich mich, warum die Bücherhalle nicht längst an einem Sonntag geöffnet ist. Ist es nicht eine wunderbare Idee, wenn eine Familie gemeinsam an einem Sonntag in die Bücherhalle geht? Wenn sie gemeinsam Bücher ausleihen, meinetwegen auch Filme, die sie sich dann zusammen ansehen? Ist das nicht eine ideale Sonntagsfreizeittätigkeit? Eine Wünschenswertere als das Kaufen?

Für die Angestellten ist es nicht wünschenswert. Vermutlich nicht. Das spricht dagegen. Aber sonst? Ich bin ausnahmsweise mal mit der CDU, mit Herrn Wersich. Ich denke, Orte wie die Bücherhalle sollten an einem Sonntag offenstehen. Sie könnten an einem Montag dafür geschlossen bleiben. Wir wollen ein gebildetes Volk. Wir wollen Kinder, die lesen. Öffnen wir die Türen zur besten Zeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen