Katholische Akademie in Bayern: Merkel lobt den Papst
Für Angela Merkel gehört Religion eigentlich ins Private. Bei einem Vortrag vor Katholiken sprach sie trotzdem über ihren Glauben - und lobte den deutschen Papst.
MÜNCHEN taz | Hinter Angela Merkel führt ein Tunnel zum Licht, angedeutet in bunten Wirbeln auf einem großen Wandteppich über dem Rednerpult. Vor ihr heben die ersten Katholiken ungeduldig den Arm. Sie wollen Antworten von der Kanzlerin. Und sie wollen der Chefin der Christlich-demokratischen Union endlich einmal erklären, wofür das C in CDU wirklich zu stehen habe.
"Wie lässt sich der Bau von Atomkraftwerken mit der christlichen Schöpfungslehre verbinden?", fragt eine Frau. Es sei unverständlich, dass Merkel den Import von embryonalen Stammzellen zugelassen habe, mahnt eine andere. "Und es ist für uns schwer zu verstehen, dass Sie unseren Heiligen Vater kritisiert haben. Er ist für uns der Stellvertreter Christi auf Erden."
Angela Merkel war am Dienstagabend nach München zur Katholischen Akademie Bayern gekommen, um das Vertrauen ihrer konservativ-katholischen Stammwähler zurück zu gewinnen. Mit denen hatte es die geschiedene kinderlose Protestantin noch nie leicht. Als sie zu Jahresbeginn auch noch vom Papst öffentlich eine Klarstellung zur Holocaust-Leugnung des Skandal-Bischofs Richard Williamson forderte, bekam die Kanzlerin die offene Kritik von Bischöfen und Katholiken aus ihrer eigenen Partei zu spüren. In München versuchte sie, die katholischen Skeptiker mit einem Vortrag über "Politisches Handeln aus christlicher Verantwortung" zu besänftigen - und mit einer offenen Diskussion.
Als Merkel im März vor der Katholischen Akademie in Berlin sprach, hatten die Veranstalter die Fragen des Publikums im Voraus penibel ausgewählt und nur die harmlosesten zugelassen. In München sollte es auch kritische Fragen geben. Die Kanzlerin hatte es sich so gewünscht.
"Es ist mir bewusst, dass der Papst der Stellvertreter Gottes ist", antwortete Merkel. Aber er sei eben auch ein politischer Staatschef. Und wo der Holocaust relativiert werde, müsse eine deutsche Bundeskanzlerin ihr Wort erheben, sagte Merkel. "Es lag mir nicht daran, die Gefühle von Menschen mit katholischem Glauben zu verletzen."
Um die Stammzellen-Entscheidung habe man sehr gerungen, mit dem Import lasse sich die Forschung aber ethisch besser kontrollieren, als wenn die Forscher ins Ausland gingen. Und Atomkraft sei nur eine Brückentechnologie. "Dass Thema der Endlagerung kann man lösen", meinte Merkel. Dass das bislang nicht geschehen sei, daran hätten auch die Atomkritiker Schuld, die immer wieder vor Gericht gingen.
Merkel schwärmte an diesem Abend von "spannenden Aufsätzen" des Papstes, von seiner inspirierenden aktuellen Enzyklika und sagt, sie bewundere an Benedikt "seine geistige Schärfe, seine Unbestechlichkeit". Angela Merkel sagt so etwas selten. Für sie ist Religion nichts, womit sie auf Wahlkampfbühnen stolz herumwedelt, sondern Privatsache.
Am Ende ihrer Rede erhebt sich der Erzbischof von München, Reinhard Marx, ein runder, wuchtiger Katholik. Das habe er alles sehr schön gefunden, sagt Marx. Er hätte sich nur gewünscht, dass die christlichen Parteien in den vergangenen Jahren etwas beherzter eingegriffen hätten, als es darum ging, die soziale Marktwirtschaft vor den Neoliberalen zu verteidigen.
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