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Katharina Thalbachs Opern-InszenierungWie Guido-Knopp-Fernsehen

Torsten Raschs Oper "Rotter", inszeniert von Katharina Thalbach an der Kölner Oper, zeigt: Wenn Musiktheater den Film einholen will, ist Kitsch die Folge.

Mit "Rotter" in den Sackbahnhof: Katharina Thalbach. Bild: dpa

Der Autor Thomas Brasch (1946-2001) hat es nicht leicht gehabt in seinem Ostberliner Boheme-Leben. Nicht zuletzt galten ihm daher manche Sympathien im Westen, in den ihn die ansonsten nicht ausreisebewilligungsfreudigen Behörden der DDR abziehen ließen. Der Vater Horst Brasch, ein jüdischer Emigrant und Remigrant, hatte in der SED Karriere gemacht und den Aufstieg bis ins Zentralkomitee geschafft. Er soll, so wird kolportiert, 1968 seinen Sohn denunziert haben, als dieser wegen einer Flugblattaktion für die tschechoslowakischen Reform-Kommunisten ins Visier der einschlägigen Behörden geriet.

Die Schauspielerin Katharina Thalbach, eine von Braschs Lebensgefährtinnen, hat nun zusammen mit einem Dramaturgen der Kölner Oper Braschs "Rotter" zum Libretto verdichtet. Braschs Schauspiel, 1977 in Stuttgart uraufgeführt, rechnet mit einem resistenten Typ des deutschen Kleinbürgers ab. Ein am Ende der Weimarer Republik deklassierter Metzgerlehrling stößt zur "Bewegung", beteiligt sich in der Nazizeit an der Plünderung eines jüdischen Geschäfts, zieht mit der Wehrmacht in den Vernichtungskrieg, hat mehr Glück als Verstand beim "Zusammenbruch", nimmt an der Niederschlagung des Arbeiteraufstands vom 17. Juni 1953 und am weiteren industriellen Aufschwung der Planwirtschaft teil.

Bei solch vorbildlichem Aktivismus verstockt und verendet allerdings die nie richtig in Fahrt gekommene Ehe des Karl Rotter (Hans-Georg Priese). Außerdem geistert der frühere Liebhaber der Frau, der Anarchist Lackner (Albert Bonnema), als Gegenstück zum stets konformen Rotter weiter durch ihr Leben und die Szenenfolge. Obwohl die Reime des neuen Librettos manchmal unsäglich sind, überzeugen die Sänger. Auch Dirigent Hermann Bäumer engagiert sich sehr umsichtig für die flinken, mit teils süffiger, strukturell überwiegend tonaler Filmmusik unterfütterten zwölf Szenen.

Katharina Thalbach, die an der Kölner Oper bereits "Salome" und "Jenufa" inszenierte, hat diese Oper im Bahnhof der deutschen Geschichte angesiedelt: Über drei Gleisen und unter den Bögen der Stahlkonstruktion ein wenig Abglanz und notgeschlachtetes Elend der "goldenen" 20er-Jahre, Kostüme, Züge der Zeit von links, dazu kleine Unanständigkeiten. Von rechts ein Viehwaggon. Man ahnt: Mit ihm werden nachher die Juden abtransportiert, und so kommt es auch dann auch.

Thalbachs Arrangement der geschäftig erfüllten historischen Stationen will den Film - und funktioniert notgedrungen nach der grobkörnigen Aufbereitungstechnik und Ästhetik eines Guido Knopp: braune Uniformierung, Hindenburgs Beisetzung, Pogrom, Denunziation, hastige Hochzeit, Aufbruch an die Ostfront, letzte Gefechte. Die Bahnhofskuppel weitet sich zum Zeittunnel für den nicht ganz unfallfreien sozialistischen Aufbau. Da finden sich in Text und Inszenierung ein paar derb-komische Momente, zum Beispiel wenn Rotter von einer Maurerbrigade in einen Schornstein gesperrt wird, aus diesem oben rausschaut und so "historischen Überblick" gewinnen kann.

Am Ende setzt der zwangspensionierte Rotter zum Himmelsflug an. Aber auch das hebt diese ordinäre deutsche Kleinfamiliengeschichte nicht auf eine höhere Ebene. Einzig bei zwei Märchen-Reminiszenzen, die Regina Richter als zwischen den Männern stehende Elisabeth anrührend gestaltet, scheint auch der Musikeinsatz evident: bei einer an den "Volkston" Uhlands anknüpfenden Ballade sowie einer breit ausgesungenen Fabel vom alten König, der hoch auf dem Berge thront und die zum Fleiß angetriebenen Arbeiter im tiefen Tal überwacht - auch im Zustand der Verwesung noch. Eine Schlüsselszene: Diese Oper ist bereits als Mumie zur Uraufführung gebracht worden.

Denn das Brasch-Rasch-Kompilat fällt insgesamt höchst anachronistisch aus. Musikalisch kommt es über eine matte Siegfried-Matthus-Nachfolge kaum hinaus. Das Subventionsprodukt bewegt sich auch nicht auf der Höhe der ästhetischen oder politischen Gegenwart. Halb fährt es mit seinem unnötigen und auf der Bühne fehlplatzierten Realismus der Deportationsszenen auf dem Trittbrett der Holocaust-Verwertungsmaschine, halb kommt es mit noch einmal wohlwollender DDR-Aufbaukritik nicht aus dem Sackbahnhof heraus.

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