piwik no script img

Kater nach acht Wunderjahren

■ Interview in Tokio mit Ferdinand Piäch, dem Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, über Japans Auto-Krise, Wolfsburger Firmenphilosophien und „Gefahren“ aus Asien

Seit seinem Amtsantritt Anfang Januar kehrt der in Wien geborene VW-Chef Piäch, 56, mit eisernem Sparbesen in Deutschlands erfolgreichstem Automobilkonzern. Er streicht Investitionen wie das Pilotprojekt VW-Skoda und will in sechs inländischen Werken bis Ende 1994 10.000 MitarbeiterInnen entlassen. Piäch bewundert laut Munzinger- Archiv japanische Kultur und japanische Wirtschaftsdisziplin.

taz: Nach Europa befindet sich nun auch Japans Autoindustrie in der schwersten Krise seit Kriegsende. Haben die Japaner die gleichen Probleme wie die Deutschen?

Ferdinand Piäch: Sie haben ähnliche Strukturprobleme, jedoch nicht in dem Ausmaß, wie wir sie in Deutschland haben, etwa bei Volkswagen. Die Japaner hatten auch zwischendurch immer wieder Schwierigkeiten, aus denen sie sich herausarbeiten mußten. Wir dagegen haben acht Jahre Wunderkonjunktur hinter uns, in denen alle vergessen haben, wie man rationalisiert. Das müssen wir jetzt nachholen.

Die Fertigungskosten in der japanischen Automobilindustrie sind 1993 schon aufgrund des Yen- Anstiegs gegenüber der Mark um vermutlich 20 Prozent für den Export gestiegen. Inzwischen gibt es auch in Japan eine Standortdebatte. Stimmen Sie die Schwierigkeiten der Konkurrenz optimistisch?

Für uns kann es in diesem Sinne keine neue Hoffnung geben. Wir müssen unsere Probleme lösen, unabhängig davon, ob das auch den Japanern gelingt. Denn ganz Asien steht voll mit neuen Herstellern. Die Gefahr für Europa liegt nicht allein in Japan.

In Japan werden Volkswagen inzwischen auch von Toyota- Händlern verkauft. In Hannover produzieren VW und Toyota gemeinsam den Taro-Pick-up. Wie wichtig ist Ihnen das Bündnis mit dem größten japanischen Automobilkonzern?

Ich sehe darin eine kleine Berührung, die wir aufrechterhalten wollen. Gute Gesprächsführung und gewisse Anknüpfungspunkte mit dem tüchtigsten Japaner schaffen für VW eine gute Zukunftsvoraussetzung. Doch wir arbeiten dabei projektorientiert, weil unsere Firmenphilosophien stark divergieren. Ich wüßte nicht, was wir grundsätzlich an Denkweisen über breite Gebiete mit Toyota derzeit austauschen könnten.

Toyota ist der erfolgreichste Automobilkonzern der Welt. Gibt es da nichts abzuschauen?

Wenn wir jemanden kennen, der zur Zeit tüchtiger ist, setzen wir ihn uns als Maßstab. Wir müssen also versuchen, auf vielen Gebieten besser zu sein, als es Toyota heute ist – aber das können wir durchaus mit europäischen Methoden erreichen.

Die unterschiedlichen Methoden beginnen bei der Bezahlung von Managern. Während die derzeit erfolglosen Automobilkonzerne in Japan die Gehälter der Manager durchweg kürzen, verdient man an Ihrer Stelle in der deutschen Krise besser denn je. Warum nicht einmal über dieses Beispiel reden?

Ich diskutiere seit einer Woche solche Modelle mit meinen engsten Mitarbeitern. Ob sie durchsetzbar sind oder nicht, kann ich heute noch nicht sagen. Aber ich selbst würde mitmachen.

Jahrelang waren sich deutsche Unternehmer und Gewerkschaften darin einig, Japan lasse sich nicht imitieren. Heute spricht man bei VW über lean production, just-in- time und Hierarchieabbau. Denken Sie bereits japanisch?

Wichtig ist für mich nicht, wie die Japaner und wie wir Europäer denken. Wichtig ist nur, daß jeder sein Preis-Leistungs-Verhältnis, seine Qualität und seinen Service besser macht als der andere. Die von japanischer Seite oft angesprochene Konsensbildung in der Krise kann ich mir in Deutschland sogar auf breiterer Basis vorstellen als in Japan. Bei uns braucht das länger, um in die Diskussion zu kommen. Aber das Ergebnis werden wir in den nächsten Monaten sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen