■ Katastrophale Neubaubilanz: Risiko Nagel
Wird Bausenator Wolfgang Nagel zum Sicherheitsrisiko für sein eigenes Wohnungsbauprogramm? Das „Klassenziel“ der Neubaubilanz 1992 sei erreicht, tönt Nagel. 10.852 neue Wohnungen wurden im vergangenen Jahr gebaut, die steigenden Antragszahlen stimmten „optimistisch“, der zweite Förderungsweg sei „der Renner“. Weiß der Senator nicht, daß seine Neubaupolitik – speziell im Osten – zu scheitern droht? Oder will er uns gar glauben machen, daß mit ein paar Schippen mehr Beton alles in bester Ordnung ist? Gerade einmal ein Drittel des vergleichsweise dürftigen Neubauprogramms 95 ist fertiggestellt. Bei den genehmigten Wohnungen fiel das Ergebnis auf den Stand von 1991 zurück. Förderung im klassischen sozialen Wohnungsbau kam 1992 über 1.000 Wohnungen weniger zugute als im Vorjahr.
Angesichts des immensen Defizits an Wohnraum in Berlin bedeutet Nagels Bilanz eine Katastrophe, fallen doch dem Bausenator keine Instrumente zur Gegensteuerung ein. Müssen also Dachböden erst wieder ausbrennen, damit sich für einen Hausbesitzer die Umwandlung in Wohnraum rechnet? Die Eigentumsprogramme laufen sich im Ostteil Berlins heiß wegen der ungeklärten Bodenrechte, der hohen Grundstücks- und Zinskosten. Verrannt hat sich Nagel beim sozialen Förderkonzept. Aufgrund leerer Kassen kommt ihm da jeder Häuslebauer recht. Statt nach neuen Finanzierungsquellen durch Unternehmerdarlehen, Werkswohnungsbau oder genossenschaftliches Bauen zu suchen, ist öffentliches Sparen angesagt – um so mehr, weil die Baukosten ins Unermeßliche steigen. Subventionen für eine Sozialwohnung von 750.000 Mark sind natürlich ein Argument. Doch der Baumafia will Nagel nicht an den Kragen. Der Bund Deutscher Architekten fordert schon längst eine Reduzierung der Baukosten. In Holland beispielsweise bezahlt die öffentliche Hand für eine Wohnung desselben Standards nur 180.000 Mark. Wo also liegt das Risiko? Rolf Lautenschläger
Siehe Bericht auf Seite 22
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