Katastrophale Folgen bei Terroranschlag: Greenpeace will gegen AKWs klagen
Eine neue Greenpace-Studie zeigt, dass die Folgen eines Flugzeugabsturzes auf ältere Reaktoren weit schlimmer wären als von den Behörden bisher angegeben.
Gegen ältere Atomkraftwerke, die einem Terroranschlag nicht standhalten würden, will die Umweltorganisation Greenpeace jetzt rechtlich vorgehen. Die Reaktoren Biblis A und B, Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1 seien unzureichend geschützt und die Gefährdung der Bevölkerung werde von den Behörden erheblich unterschätzt, sagte Atomexperte Heinz Smital. Aktuelle Berechnungen im Auftrag von Greenpeace hätten ergeben, dass bei einem Angriff aus der Luft die Menschen in der Umgebung innerhalb weniger Stunden einer tödlichen Strahlendosis ausgesetzt würden.
Greenpeace will darum Betroffene unterstützen, die die Rücknahme der Betriebsgenehmigungen von Isar 1 und Philippsburg 1 beantragt haben. Bei Ablehnung soll geklagt werden. Die Organisation rechnet sich gute Chancen aus - vor allem wegen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. Dies hatte 2008 einer Anwohnerin aus Brunsbüttel das Recht auf Schutz vor Strahlung zugesprochen.
Diesen Weg möchte auch Thomas Maxhofer gehen. Der ehemalige Pilot lebt 15 Kilometer vom AKW Isar 1 entfernt und wäre bei einem Unfall nach Greenpeace-Berechnungen innerhalb einer Woche einer Strahlendosis von über 12.000 Millisievert ausgesetzt. Zum Vergleich: Ab 7.000 Millisievert tendiert die Überlebenschance gegen null. Bei einem Flugzeugabsturz wäre eine Evakuierung nicht möglich, sagte die Physikerin Oda Becker, die die Untersuchungen geleitet hat.
Wie groß die Terrorgefährdung der ältesten deutschen Atomkraftwerke ist, belegen interne Dokumente, die der taz vorliegen: Eine Untersuchung der Internationalen Länderkommission Kerntechnik aus dem Jahr 2002 kommt zu dem Ergebnis, dass nur 3 der damals 19 Atomkraftwerke einem Flugzeugangriff standhalten würden. "Bei allen anderen Kernkraftwerken ist bei einem Aufprall auf das Reaktorgebäude mit schweren bis katastrophalen Freisetzungen radioaktiver Stoffe zu rechnen." Eine Nachrüstung sei technisch und wirtschaftlich nicht machbar.
Das Bundesumweltministerium erklärt sich auf Anfrage für nicht zuständig: Ob die Bedrohung durch Terrorangriffe ein Abschalten erforderlich mache, müssten die Aufsichtsbehörden der Länder entscheiden. Baden-Württemberg sieht keinen Handlungsbedarf: Die Gefahrenabwehr sei in den letzten Jahren "massiv verstärkt" worden, sagt ein Sprecher des Umweltministeriums der taz. Bald solle auch das AKW Philippsburg zum Schutz vor Flugzeugattacken mit einer Vernebelungsmaschine ausgestattet werden. Doch diese Methode ist umstritten: Das Bundesumweltministerium urteilt in einem Protokollentwurf, die Vernebelung biete "keine wesentliche Verbesserung der Sicherheit der Kernkraftwerke".
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung