■ Kassel darf Verpackungssteuer erheben: Ein bahnbrechendes Urteil
Die Städte und Gemeinden sind dafür zuständig, den Müll zu beseitigen. Doch dafür sorgen, daß weniger Müll entsteht, den sie entsorgen müßten, das konnten sie bisher nicht. Das Abfallrecht wird nämlich in Bonn gemacht. Dort entstehen dann Paragraphenwerke mit so verheißungsvollen Namen wie „Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen“. Diese Verpackungsverordnung, die uns das Duale System bescherte, vermeidet bekanntlich keine Abfälle. Sie sorgt allenfalls dafür, daß ein geringer Anteil alter Verpackungen in Recyclinganlagen wandert. Die Kommunen, die auf dem restlichen Dreck sitzenbleiben, durften kaum mehr, als den Rhythmus der Müllabfuhr und die Öffnungszeiten der Deponien zu regeln.
Versuche der Städte und Gemeinden, selbst etwas zur Verkleinerung der Müllberge zu tun, beschränkten sich weitgehend auf Beratungsangebote für Bürger und Betriebe, auf die finanzielle Förderung von Komposttonnen und öffentliche Appelle. Doch hier, wie überall, lassen sich wirkliche Veränderungen nur über klare Verbote oder über den Umweg Geldbörse erreichen. Genau das versuchten einige Städte – und scheiterten damit an den Gerichten.
München zum Beispiel erließ 1991 ein Verbot von Einwegverpackungen für Mineralwasser. Handelskonzerne, darunter Hertie und Edeka, klagten dagegen – erfolgreich. Schon damals hatten jedoch die zuständigen Verwaltungsrichter Verständnis für die Stadt gezeigt – und dem Bundesumweltminister die gelbe Karte. Der eingeschlagene Weg verspreche „eine sinnvolle Lösung der Probleme“. Doch auch wenn die Bundesregierung ihre Verordnungsermächtigung so ausgeübt habe, „daß möglicherweise wenig zur Abfallvermeidung beigetragen wird“, stehe den Gemeinden kein Nachbesserungsrecht zu. Dem Kasseler Vorstoß, Steuern auf Einwegverpackungen und -geschirr an Imbissen und Fast-Food-Restaurants zu erheben, schien ein ähnliches Schicksal vorbestimmt. Zumal es als äußerst zweifelhaft galt, daß eine Stadt durch Steuern lenkend in die Wirtschaft eingreifen darf.
Wenn sich jetzt die Richter des Bundesverwaltungsgerichts ein Herz faßten und die Abfallpolitik der Stadt Kassel unterstützen, erkennen sie damit indirekt an, daß die abfallpolitischen Bemühungen der Bundesregierung allenfalls kosmetische Wirkung haben, keinesfalls aber an die Wurzeln des Müllproblems gehen. Nun endlich können diejenigen, die mit dem Müll am meisten konfrontiert werden und daher das größte Interesse an dessen Verringerung haben, den Druck ausüben, den die Verursacher der Abfälle verstehen – die finanzielle Daumenschraube. Nicola Liebert
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