: Kartoffel-Satire – ein Fall für Interpol?
Auf Antrag der polnischen Regierungspartei PiS prüft derzeit der Warschauer Bezirksstaatsanwalt, ob der Autor der taz-Satire juristisch belangt werden kann. Auch die Möglichkeit eines internationalen und europäischen Haftbefehls wird erwogen
AUS WARSCHAU GABRIELE LESSER
Polens Regierung will ein Exempel statuieren. Ein Deutscher soll hinter polnische Gitter, weil er Präsident Lech Kaczyński in einer Satire mit einer Kartoffel verglichen hat. Tatsächlich könnte der „Kartoffelfall“ bald ganz Europa in Atem halten. Denn der Fraktionsvorsitzende der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Przemyslaw Gosiewski, will den Autor der taz-Satire „Polens neue Kartoffel“ mit europäischem Haftbefehl suchen lassen. Zurzeit prüft die Warschauer Bezirksstaatsanwaltschaft, ob der Autor Peter Köhler tatsächlich ein „Verbrechen“ begangen hat. Nächste Woche wird die Staatsanwaltschaft entscheiden, ob Köhler vor ein polnisches Gericht gestellt werden soll.
„Wer öffentlich den Präsidenten der Republik Polen beleidigt, kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden“, sagt Staatsanwalt Jacek Mularczuk. „Das ist der Wortlaut von Artikel 135 § 2 des polnischen Strafgesetzbuchs.“ Da Deutschland eigene Staatsbürger nicht ausliefern würde, spekuliert Polens Presse, kämen nur der europäische oder internationale Haftbefehl in Frage.
Ob es dazu kommt, ist offen. Selbst wenn die Warschauer Staatsanwaltschaft nächste Woche erklären sollte, dass die Satire den Straftatbestand der Beleidigung erfüllt, könnten der Präsident Polens und der Generalstaatsanwalt zum Schluss kommen, dass der Antrag auf einen europäischen oder internationalen Haftbefehl dem Präsidentenamt Polens noch mehr schaden könnte als die kleine Satire.
Zudem sind beide Anträge mit einem gewissen Risiko für Polen verbunden. Das neue Europäische Haftbefehls-Gesetz (EuHbG) wird auch in Deutschland in wenigen Wochen in Kraft treten. Dann hätte die deutsche Justiz mindestens zwei Argumente, um das Auslieferungsersuchen abzulehnen. Zum Ersten ist Beleidigung ein Delikt, bei dem nach Einführung des europäischen Haftbefehls nur ausgeliefert werden darf, wenn es sowohl in Polen als auch in Deutschland strafbar ist. Zwar ist in Deutschland grundsätzlich die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter strafbar, allerdings sind Beleidigungsdelikte immer im Sinne der Pressefreiheit auszulegen, wie sie Artikel 5 das Grundgesetzes garantiert.
Die Anspielung, der polnische Staatspräsident sei eine Kartoffel, bewegt sich nach deutschem Rechtsverständnis im Rahmen des Erlaubten. Selbst wenn eine Auslieferung rechtlich zulässig wäre, könnte die Bundesregierung aus politischen Gründen die Bewilligung verweigern.
Zum Zweiten sieht das Internationale Rechtshilfegesetz (IRG) vor, dass bei einem weit gehenden Inlandsbezug der Tat die Auslieferung ins Ausland abzulehnen ist. Da die taz aber in Deutschland gedruckt und vor allem hier gelesen wird, würde die Auslieferung des Journalisten abgelehnt werden.
Beim internationalen Haftbefehl besteht für Polen das Risiko, dass der Antrag zurückgewiesen werden könnte, da Interpol laut Artikel 3 der Interpol-Constitution keine politischen Straftaten zur Fahndung ausschreibt. Ob es sich im Kartoffelfall um ein „politisches Delikt“ handelt, ist offen für „freie Rechtsfindung“.
Bei beiden Haftbefehlen wäre die Auslieferung des taz-Autors aus einem Drittstaat nicht auszuschließen. Zwar müssen auch diese prüfen, ob die Tat auch im eigenen Land strafbar ist, doch in der Praxis wird dies im Sinne des Staates erledigt, der die Auslieferung beantragt hat.