Karfreitags feiern in Bayern: Liberale bitten zum Tanz
In Bayern gilt: Wenn streng gläubige Christen den Karfreitag begehen, dann sollen all die Anders- und Nichtgläubigen auch die Füße stillhalten. Dagegen will die FDP nun angehen.
Seitdem die FDP mangels CSU-Mehrheit im Freistaat mitregieren darf, könnte man meinen, Bayern sei ein ganz normales Bundesland geworden, so tolerant und weltoffen wie jedes andere auch. Homoehen werden nun auch hier im Standesamt geschlossen, nicht mehr bloß im Hinterzimmer eines Notars, wie zu Stoibers Zeiten. Es gibt sogar einen bayerischen Integrationsbeauftragten. Damit hier allerdings gar nicht erst ein falscher Eindruck entsteht, hat die CSU Joachim Herrmann.
Beruflich ist Herrmann bayerischer Innenminister. Privat lebt er als Katholik mitten im Lutheraner-dominierten Franken. Das hat das Katholische in ihm besonders streng werden lassen. Als vor drei Jahren auf der ganzen Welt islamische Fundamentalisten anfingen, wegen ein paar recht mittelmäßiger Mohammed-Karikaturen herumzumarodieren, setzte Herrmann ein Zeichen. Er demonstrierte eindrucksvoll, wie es die CSU mit der Toleranz und der Meinungsfreiheit hält und verklagte den Sender MTV. Der hatte mit einer Jesus-Parodie Werbung gemacht. Das attackiere einen Kernbestandteil des christlichen Glaubens. Auch an diesem Osterfest bleibt es wieder einmal an ihm, das Abendland zu retten.
"Der Schutz des Karfreitags als Feiertag und stiller Tag steht nicht zur beliebigen Disposition", verkündete Herrmann ernst wie immer. "Das Gesetz verbietet an diesem Tag musikalische Darbietungen jeder Art", erklärt der Innenminister leicht verärgert. Da hatte sich wieder einmal der kleine Koalitionspartner von der FDP in heiliges christsoziales Gebiet vorgewagt: das Tanzverbot.
Wie in anderen Bundesländern auch, sind in Bayern am Karfreitag aus Pietät ausufernde Tanzveranstaltungen und Partys verboten. Doch so streng wie hier wird das Verbot sonst nirgendwo gehandhabt. Das bayerische Feiertagsgesetz listet ganze neun "stille Tage" auf. An ihnen sind öffentliche Veranstaltungen nur dann erlaubt, wenn der "entsprechend ernste Charakter gewahrt ist", steht im Gesetz. Dazu gehört auch der Aschermittwoch, an dem die CSU jedes Jahr in Passau besonders laut und bierselig sich selbst feiert.
Was vor allem die Gastwirte stört: Für die bayerischen Behörden beginnen die pietätvollen Feiertage schon um Punkt null Uhr. Wer in der Nacht vor Karfreitag in seiner Wirtschaft noch Musik laufen hat, riskiert eine saftige Strafe. In anderen Bundesländern beginnt das feiertägliche Tanzverbot erst einige Stunden später, in Baden-Württemberg etwa um drei Uhr.
In Bayern gab es für Wirte und Diskobetreiber früher großzügige Ausnahmen. Aber da war Joachim Herrmann noch nicht Innenminister. Die bayerische Landtags-FDP hat nun "eine moderate Lockerung" vorgeschlagen. Sie will, dass in Zukunft erst um fünf Uhr früh Ruhe sein muss. "Damit wird der Feiertagsschutz auch nicht ausgehöhlt", meint ihr parlamentarische Geschäftsführer Tobias Thalhammer. Den Kirchen gefällt das gar nicht. Der partyfreie Karfreitag sei nicht nur für die Christen wichtig. Auch die CSU lässt nicht mit sich reden und verweist auf Wichtigeres als Einkehr: "Es ist eine Frage des Respekts vor den religiösen Empfindungen der Mitbürger, diesen Geboten zu folgen", sagt Herrmann.
Oder anders gesagt: Wenn die streng gläubigen Christen an diesem Freitag ihren Feiertag begehen, dann sollen all die Anders- oder Nichtgläubigen gefälligst nichts zu Feiern haben. Das ist die oft verdrängte Seite des nach außen hin so putzig wirkenden bayerischen Barockkatholizismus: Die Ausgrenzung von Andersglaubenden und denen, die keine Lust mehr auf das streng Christliche haben. Wenn an Allerheiligen das ganze Dorf der Tradition gemäß auf den örtlichen Friedhof pilgert, ist das noch immer vor allem Anlass, zu kontrollieren, wer denn vielleicht zu wenig andächtig vor dem Grab steht. Oder wer - der Herrgott verhüte es - gar nicht erschienen ist. Das katholische Bayern ist vielerorts eine miefige Welt, an die in den vergangenen Jahren zumindest etwas Luft gekommen ist. Doch die CSU klammert sich noch immer an diese vergangene Zeit und verteidigt sie, mit allem was sie hat, auch mit wenig sinnvollen Feiertagsgesetzen. Joachim Herrmanns rigide Ansichten laufen hier unter "Stammwählerpflege".
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