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■ Kanther denkt über Berufsverbote für „Republikaner“ nachKein neuer Gesinnungs-TÜV

Vordergründig klingt es ganz vernünftig, was der Bonner Innenminister Kanther fordert: Sollten sich die Anhaltspunkte dafür verdichten, daß die „Republikaner“ des Franz Schönhuber tatsächlich verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, dann haben deren Mitglieder und Sympathisanten im Staatsdienst nichts verloren. Wer möchte schon zusehen, wie seine Kinder in der Schule von einem ausgewiesenen Rechtsextremisten unterrichtet werden, wer möchte zulassen, wie die Vertreter dumpfer Ausländer-raus-Parolen über die Asylanträge von Flüchtlingen entscheiden?

Doch die Forderung nach einem derartigen Berufsverbot ist bei näherer Betrachtung reichlich unsinnig. Sie ist kaum praktikabel und in hohem Maße demokratiefeindlich. Erinnert sei an den unseligen Radikalenerlaß, der 1972 von Willy Brandt ins Leben gerufen wurde und mit dem mutmaßliche Linksextremisten (und insbesondere Mitglieder der DKP) aus dem öffentlichen Dienst entfernt werden sollten und auch wurden. Damals wie heute liegt bei der Umsetzung eines Berufsverbotes das Definitionsmonopol bei den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Die seinerzeit eingeführte „Regelanfrage“ zur Überprüfung der Verfassungstreue wurde – späte Einsicht – Ende der achtziger Jahre sukzessive wieder abgeschafft. Sollten Kanthers Pläne nun verwirklicht werden, dann müßte die Regelanfrage wieder eingeführt werden. Das heißt, erneut würden wieder alle Anwärter für den öffentlichen Dienst von den Verfassungsschutzbehörden durchleuchtet – der Gesinnungs-TÜV feierte dann fröhliche Urständ. Der „rechte“ Radikalenerlaß ist auch unsinnig, weil das Beamtenrecht genügend Handhaben bietet, „extremistische“ Beamte aus dem Staatsdienst zu feuern.

Bei näherem Hinsehen erweist sich die Forderung des Bonner Innenministers als taktisches Vorgehen, mit dem sich die Union von den „Republikanern“ abgrenzen möchte. Programmatisch sind die Grenzen zwischen den Positionen der Union und denen der Schönhuber-Truppe in den letzten zwei Jahren zusehends verwischt worden. Das gilt etwa beim neuen Asylrecht, und neuerdings trifft sich der rechte Rand der Union politisch mit den „Republikanern“ auch in der Ablehnung eines europäischen Bundesstaates. Einerseits soll der rechte Konkurrent Schönhuber im Wahljahr 1994 daran gehindert werden, in der eigenen Klientel auf Stimmenfang zu gehen, andererseits versucht man die Auseinandersetzung um die Annäherung an Schönhubers Populismus dadurch zu vermeiden, daß der rechtsradikale Ideenlieferant aus der Diskursgemeinde geworfen wird. Der Wahlkampf läßt grüßen. Wolfgang Gast

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