Kannibalen, Rechte etc. : Nicht ausreichend für ein Verbot
Um es vorwegzunehmen: „Rohtenburg“ ist kein guter Film. Dass er nicht in die deutschen Kinos kommt, hat aber – zumindest vordergründig – nichts damit zu tun, dass es sich um ein simpel gestricktes Werk mit dramaturgischen Mängeln handelt. Ein Gericht hat die Persönlichkeitsrechte von Armin Meiwes für wichtiger befunden als das Recht auf künstlerische Freiheit.
Meiwes’ Anwalt zufolge werde dessen Leben im Film „sklavisch nachgestellt“. Tatsächlich orientiert sich ein Handlungsstrang an den realen Ereignissen: Vom Internetkontakt zwischen dem Filmkannibalen Oliver Hartwin und seinem Opfer Simon Grombek, über die klinische Darstellung des Folterkellers, in dem Hartwin ihn an einer Kette baumeln lässt wie eine Schweinehälfte, bis hin zu Kastration, Schlachtung und Verzehr. Aber all das war bereits vor Monaten in den Zeitungen nachzulesen – nicht selten geschmacklos (Bild: „Als ich ihn gegessen hatte, kam ich zum Orgasmus!“) und häufig weit detaillierter. Meiwes selbst hat dem Stern seine Lebensgeschichte abgetreten, der diese minutiös ausweidete.
Es geht also nicht – wie in den Fällen von Maxim Biller und Alban Nikolai Herbst – darum, die Privatsphäre eines Menschen zu schützen, der unfreiwillig ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde. Hier versucht jemand, der durch seine Tat zur Person der Zeitgeschichte wurde, die Kontrolle über seine öffentliche Darstellung zu erlangen.
Das ist umso absurder bei einem Film, dessen Küchenpsychologie auf die Hälfte aller Triebtäter gemünzt sein könnte: Ein Junge wird von der krankhaften Liebe seiner Mutter erdrückt, leidet unter Gewaltfantasien und pflegt seltsame Fernsehgewohnheiten – so what? Gerade diese mangelnde Differenzierung wirft der Richter dem Film nun wiederum vor. Es handele sich nur um „Unterhaltung im Sinne eines Horrorfilms“. Einerseits wird also bemängelt, „Rohtenburg“ halte sich zu sehr an die Wirklichkeit, auf der anderen Seite stelle er die Person Armin Meiwes nicht in einer angemessen komplexen Weise dar.
Was als Filmkritik vielleicht noch Bestand hätte, ist in seiner verqueren Argumentation allerdings keine Begründung für ein Verbot. Gerade in seiner Schemenhaftigkeit gerät der Film mit den Persönlichkeitsrechten von Armin Meiwes nicht in Konflikt. „Manche Geschichten sollten nicht erzählt werden“ steht auf dem Filmplakat von „Rohtenburg“ – das herauszufinden sollte dem Zuschauer vorbehalten bleiben. ANDREAS RESCH