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Kandidatur für ParteivorsitzRealos sind sich nicht mehr grün

Die Grünen sind unfroh darüber, zwei Anwärter auf den Parteichef-Posten des Realo-Flügels zu haben. Kritik gibt es auch am Verhalten von Tübingens Bürgermeister Palmer.

Erst hatten die Grünen keinen, nun haben sie zwei Anwärter. Cem Özdemir ist einer. Bild: ap

BERLIN taz Erst hatten sie gar keinen, dann hatten sie zwei. Das ist jetzt aber doch einer zu viel.

Nachdem mit Cem Özdemir ein erklärter und mit Volker Ratzmann ein möglicher Kandidat für den Grünen-Parteivorsitz im Rennen ist, erzeugt die Aussicht auf eine Kampfabstimmung im Realolager der Grünen neues großes Unwohlsein. Denn wenn auf dem Parteitag im November die "Linke" Claudia Roth als eine Bundesvorsitzende bestätigt wird, dann aber zwei Realokandidaten für den Zweitchefsessel antreten, spaltet dies die Stimmen des Realolagers. Faktisch würden die Linken also bestimmen, wer Chefrealo bzw. -"reformer" wird. Sie könnten auf die Idee kommen, dies mit Forderungen zu verknüpfen.

Das geht nicht, findet etwa der Tübinger Bürgermeister Boris Palmer. "Es können nicht zwei sein, die für die Reformer antreten", sagt er. "Andernfalls haben die Reformer ihren Gestaltungsanspruch verloren." Palmer und andere Özdemir-Anhänger sind dafür, noch im Juni zu entscheiden, wer im November der Top-Kandidat werden soll.

Nun hat der Berliner Volker Ratzmann seine Kandidatur zwar noch nicht richtig erklärt. Doch hat die Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Renate Künast, ihn bereits öffentlich unterstützt. Fraglich ist erstens, ob Ratzmann noch rückwärts kann, ohne dass er und Künast beschädigt werden. Zweitens, ob die Landesverbände sich auf Özdemir einnorden lassen.

Solches Taktieren trifft auf Widerwillen der Landeschefs, die nicht bereits für Özdemir sind. Der schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Robert Habeck sagt: "Ich kann für meinen Landesverband ausschließen, dass die Leute nach Weisung oder Absprache stimmen." Seiner Ansicht nach ist die Flügelsortierung auf Parteitagen ohnehin überholt. Arndt Klocke, Chef des Landesverbands NRW, der auf Parteitagen ein Viertel der Delegierten stellt, will sich nicht unter Druck setzen lassen. "Palmer tritt auf wie ein Nachwuchs-Joschka", sagt Klocke. "Er hat keine Delegierten hinter sich, glaubt aber, relevante Personalien bestimmen zu können."

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