Kandidaten kämpfen um Kohlekumpel

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Bottrop/Recklinghausen III

Bottrop/Recklinghausen III?Die Städte Gladbeck, Bottrop, Kirchhellen (Glabotki, aber is ja nich) plus Dorsten müssen im Wahlkreis 126 gemeinsam zur Wahl. Gut 200.000 Wahlberechtigte sind anhängig. Die Arbeitslosenquote liegt bei 14 Prozent. In der strukturschwachen Emscher-Lippe-Region am nördlichen Rand des Ruhrpotts nichts besonderes. Fels in der Emscher-Brandung ist das Bergwerk Prosper-Haniel. Bottrop und Kirchhellen freuen sich über die förderstärkste Zeche der Republik. 4.100 Mitarbeiter sorgen für vier Millionen Jahrestonnen Steinkohle und 1,5 Millionen Tonnen Koks. Nicht so toll: Die geplante Erweiterung der Kokerei wurde im Frühjahr zu den Akten gelegt. Nicht genug Investoren – weder Staat noch privat. Wer Ablenkung braucht, geht in Warner Brothers Movie World oder steigt auf den Tetraeder.

Wer verteidigt den Wahlkreis?

Dieter Grasedieck (SPD). Der 60-Jährige ist seit 1994 im Bundestag. Wie es sich für einen echten Gladbecker gehört, kommt Grasedieck aus einer Bergarbeiterfamilie. Schlosserlehre und Studium machten ihn zum Diplom-Ingenieur und Berufsschulleiter a.D. Im Wahlkampf sprach er sich für den Erhalt des Bergbaus über das Jahr 2012 und gegen die Kampagne der örtlichen Jusos aus. Die hatten auf Plakaten getitelt: „Lieber in den roten Apfel beißen, als in einem Haufen Scheiße stecken“ und „Gib dem Luder ordentlich Puder“. Wer oder was damit gemeint war, blieb unklar.

Wer will den Wahlkreis?Der Christdemokrat Rudolf Haller (52). Der Soldat aus Bayern soll die ewige Vorherrschaft der Roten durchbrechen. Seit 1990 ist er Mitglied der CDU. Schuld war die Wiedervereinigung und der Glaube an blühende Landschaften – zumindest war er in seinem Heimatkreis Germersheim im Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft tätig. Andere Ausschüsse beschäftigen ihn als Dienststellenleiter des Bundeswehr-Munitionsdepots Dorsten-Wulfen. Im Wahlkreis setzt er auf kleine und mittlere Betriebe. Den Sockelbergbau will auch Haller erhalten. Ob‘s reicht? Landesreservelistenplatz 51 macht die Direktwahl nötig.

Die großen Außenseiter?Fridun Nazaradeh (FDP, Andrea Swoboda (Grüne) und Reinhild Reska (Linkspartei) haben weder im Wahlkreis noch in ihren Landesverbänden etwas zu melden. Ergebnisse jenseits der Zweistelligkeit sind sicher. Mutig: Swoboda propagiert als einzige Kandidatin den Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau. Das gibt zusätzliche Abzüge in der Erststimme. Zu den genannten Kandidaten gesellt sich mit dem türkischen Migranten Adnan Döngelli noch ein Einzelbewerber. Er setzt sich vor allem für die Freiheit der Ausübung des Islams ein. Aussagen wie „Das Kopftuch ist kein politisches Zeichen“ und „es ist unfassbar, dass Christen Andersgläubigen Religion beibringen wollen“, gehören zu seinem Wahlkampf-Repertoire.

Die taz-Prognose?

Glabotki bleibt rot.

HOLGER PAULER