Kandidaten-Vorwahl in Frankreich: Mit einem Euro ist jeder dabei
Jeder Stimmberechtigte darf bei der Wahl des sozialistischen Präsidenschaftskandidaten seine Stimme abgeben. Diese neue Form der Mitbestimmung kommt gut an.
PARIS taz | Dreimal haben sich die sechs BewerberInnen dem Polit-Quiz vor französischem Fernsehpublikum gestellt. Jetzt können die Zuschauer am Sonntag ihr Urteil abgeben. Falls nicht wider Erwarten einer gleich auf Anhieb mit einer absoluten Mehrheit das Rennen macht, kommen zwei weiter, die anderen scheiden fürs Finale am 16. Oktober aus.
Attraktiv ist diese Form der politischen Mitbestimmung, weil sie nur den symbolischen Unkostenbeitrag von 1 Euro kostet, plus eine Unterschrift unter eine sehr allgemeine Zustimmung zu den "Grundwerten der Linken und der Republik". Teilnehmen können alle, die in Frankreich wahlberechtigt sind, sowie niedergelassene Ausländer, die Parteimitglied sind. 9.600 Stimmlokale stehen zur Verfügung, 33 Millionen Wahlzettel sind gedruckt.
Da diese Primärwahlen zur Nominierung des oder der sozialistischen KandidatIn bei den Präsidentschaftswahlen vom Frühling 2012 eine Premiere sind, ist das Interesse und womöglich auch die Beteiligung so groß wie die Einschaltquoten. Mit mehr als einer Million TeilnehmerInnen rechnet man bei der Parti Socialiste (PS), bis zu vier Millionen sagen Meinungsforscher voraus.
Da es sich aber um eine politische Neuheit handelt, können sie sich ebenso sehr täuschen wie mit ihren Umfragen, in denen der frühere Parteichef François Hollande (42 Prozent) zum klaren Favoriten und seine Nachfolgerin Martine Aubry (31 Prozent) zu seiner ernsthaftesten Konkurrentin bezeichnet werden. Politisch vertreten die zwei den "Mainstream" des sozialdemokratischen Parteiprogramms, sie sind mehr als Persönlichkeiten zu unterscheiden. Die manchmal sehr verbissen auftretende Aubry meinte darum in der letzten TV-Runde, ohne den stets höflichen Hollande beim Namen zu nennen, wer sich auf den harten Kampf mit Sarkozy einlassen wolle, dürfe nicht "weich" sein.
Versuchen, mal nicht zu streiten
Ségolène Royal liegt mit circa 13 Prozent laut den für sie deprimierenden Wahlprognosen bereits distanziert auf dem dritten Platz und hat zudem den Globalisierungsgegner Arnaud Montebourg auf den Fersen. Dabei glaubt die Expräsidentschaftskandidatin von 2007 felsenfest an ihre ungebrochene Popularität und beansprucht das Recht auf eine Revanche gegen Präsident Sarkozy.
Der sozialliberale Manuel Valls vom rechten Parteiflügel und Jean-Michel Baylet von den mit dem PS verbündeten linken Radikalen (PRG) sind krasse Außenseiter.
Die beiden Favoriten dagegen waren vor den Kameras bemüht, ein möglichst würdiges Spektakel zu bieten, ohne sich in die Haare zu geraten. Wenn die Sympathisanten eines nicht schätzen, dann die Streitereien, die in der Vergangenheit Ursache so mancher Niederlagen waren. Hollandes Bestreben, die überlegene Autorität eines zukünftigen Staatschefs auszustrahlen, wirkte dabei aber ebenso gekünstelt wie Aubrys Lust an einem politischen Hahnenkampf mit Sarkozy. Beide würden zurzeit laut Umfragen ein Wahlduell mit den heutigen Präsidenten klar gewinnen.
Die Bilanz tönt bereits jetzt fast einstimmig positiv: "Diese Debatte erweist der Demokratie einen Dienst", kommentiert Jean Daniel vom Nouvel Observateur. Die demokratische Dynamik, die die Sozialisten mit dieser Urwahl ausgelöst haben, beeindruckt "in der Form, nicht aber im Inhalt" selbst die konservative Regierungspartei UMP, die sich um ihren "Chef" Sarkozy schart. Ihr Sprecher, der Wohnungsminister Benoist Apparu, wünschte, dass auch die UMP solche Primärwahlen organisiert. Aber erst das übernächste Mal: 2017.
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