: Kampfbereite Drucker an Rhein und Ruhr
Arbeitnehmer in der Druckindustrie fordern Gehalts- und Lohnerhöhungen von 3,7 Prozent. Die Arbeitgeber wollen stattdessen Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schichtzulagen kürzen und längere Arbeitszeiten aushandeln
KÖLN taz ■ WAZ und Aachener Zeitung, Bonner General-Anzeiger und Westdeutsche Zeitung, Westfalenblatt und Kölner Stadt-Anzeiger – kaum eine Lokalzeitung im Land, bei der es in den letzten Wochen keinen Warnstreik gab. Arbeitsniederlegungen erfolgten auch bei Springer (Essen), Bachem und Bauer-Druck (beide Köln). Am vergangenen Mittwoch demonstrierten in der Essener City Springer- und WAZ-Beschäftigte. Am Donnerstag traten im Kölner Verlagshaus DuMont Schauberg Verlagsangestellte in den Solidaritätsstreik. Die Arbeitnehmer in der Druckindustrie wollen damit die Forderung der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di nach einer Gehalts- und Lohnerhöhung von 3,7 Prozent unterstützen. Die Arbeitgeber wollen stattdessen Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schichtzulagen kürzen und – auf betrieblicher Ebene – längere Arbeitszeiten aushandeln.
„Wir sind mit der Streikbereitschaft an Rhein und Ruhr zufrieden, sie ist aber ausbaufähig“, erklärt Gewerkschaftssekerärin Jutta Klebon, die den Arbeitskampf in NRW organisiert, der taz. Die Arbeitgeber, neben den Verlagen gehören auch die Akzidenzdruckereien dazu, warnt sie: „Wir können den Druck noch erhöhen“.
Ab morgen verhandeln Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter wieder. Es geht um die Zukunft von bundesweit 120.000 Menschen, vor vier Jahren waren noch 150.000 in der Druckindustrie beschäftigt. Nach verdi-Angaben konnten Deutschlands Druckereien ihren Umsatz von April 2003 bis 2004 preisbereinigt um 2,2 Prozent steigern. 2003 war er gegenüber dem Vorjahr um 1,6 Prozent zurückgegangen.
Auch taz-Abonnentinnen und Abonnenten in Nordrhein-Westfalen, die ihre Zeitung morgens von Boten zugestellt bekommen, sind von den Warnstreiks in der Druckindustrie betroffen. Wird etwa der Kölner Stadt-Anzeiger bestreikt und kommt es bei dessen Auslieferungen zu Verzögerungen, dann kommt eben auch – da der Botendienst beide Zeitungen zustellt – die taz später. Die regionalen Zeitungen (WAZ und NRZ) berichteten über die Aktionen der Belegschaften, was in der Vergangenheit nicht immer selbstverständlich gewesen ist. Auch der WDR war vor Ort und berichtet in der Lokalzeit Ruhr. Eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit haben die Drucker für ihre Sache damit erreicht.
Doch sonst spielen sich die Tarifauseinandersetzungen fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ab: Erkennbare Folgen von Warnstreiks sind mehr Service-Seiten in den Lokalzeitungen, das Zusammenlegen von Bezirksausgaben und knappe Hinweise der Verlage an ihre Leser.
Die Zeiten, da Drucker und vor allem Maschinensetzer das Erscheinen einer Zeitung durch Streik verhindern konnten, sind lange vorbei. Moderne Digitaltechnik hilft den Arbeitgebern, Streikfolgen zu minimieren. Unfreiwillige „Streikbrecher“ sind dabei auch die Redakteure, die durch ihre Arbeit am Computer einen Großteil der Arbeit übernommen haben, die früher von Spezialisten in der Druckvorlagenherstellung erledigt wurde.
JÜRGEN SCHÖN