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Kampf um GartenstadtSiedler sollen Neubauten weichen

Die Wulffsche Siedlung in Langenhorn soll abgerissen werden. Die Bewohner fürchten, dass die Neubauten für sie zu teuer werden. Nun organisieren sie den Widerstand.

Die Idylle trügt: Die Wulffsche Siedlung soll abgerissen werden. Bild: Claus-Joachim Dickow/Wikimedia

Noch ist die Wulffsche Siedlung im Hamburger Stadtteil Langenhorn eine Gartenstadt, und die Mieten der über 500 Wohnungen aus den 40er und 50er Jahren sind günstig. Doch der Abriss droht: Der Entwurf für einen neuen Bebauungsplan Langenhorn 73 sieht auf dem Gelände Neubauten mit bis zu 800 Wohneinheiten vor.

Konkrete Pläne hat der Investor bisher angeblich nicht. Die Hansa-Grundstücksverwaltung spricht jedoch von familiengerechten, also größeren Wohnungen. Die bisher 50-Quadratmeter großen Wohneinheiten entsprächen nicht mehr dem heutigen Standard.

Anwohner und Mieter wollen sich das nicht gefallen lassen, mit ihrer Bürgerinitiative "Stoppt Langenhorn 73" arbeiten sie auf ein Bürgerbegehren hin. Bis Mai brauchen sie 6.500 Unterschriften, um den neuen Bebauungsplan zu verhindern.

Die bei größeren Neubauwohnungen zu erwartenden höheren Mieten könnten die jetzigen Mieter nicht bezahlen, sagt Sylvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern. "Dann ist in weiten Teilen ein Austausch der Bewohnerschaft zu befürchten."

Die Wulffsche Siedlung

Im Kern 1942 erbaut, ist die Wulffsche Siedlung eines der wenigen Wohnungsbauvorhaben der Nazizeit, das im Zweiten Weltkrieg realisiert worden ist.

Der Name geht auf die Bauernfamilie Wulff zurück, der das Gelände vor dem Krieg gehörte.

Eigentümer sind die Familien Pisani und Rickertsen / Haas. 2010 verkauften sie rund 50 Prozent des Wohnungsbestandes an die Stuttgarter GWG Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau.

Zu einer Infoveranstaltung laden Bürgerinitiative und Mieter helfen Mietern am 11. Januar, 19 Uhr, in den Gemeindesaal der Ansgar-Kirche, Wördenmoorweg 22.

Die verdichtete Bebauung würde außerdem den Gartenstadt-Charakter zunichte machen. Die vorhandenen Mietshäuser sind zweigeschossig, mit Satteldächern. Geplant sind drei-und viergeschossige Gebäude plus Staffelgeschoss. Laut Initiative sind im Bebauungsplan-Entwurf keine Grünflächen ausgewiesen.

Geändert werden soll der bestehende Bebauungsplan laut Hansa und dem Planungsbüro Plankontor, weil er eine zu geringe Baubreite von durchschnittlich 8,50 Meter festschreibe. Üblich seien heute 11,50 Meter. Das verhindere umfangreichere An- und Umbauten, etwa um den Gebäudebestand energietechnisch zu sanieren oder barrierefrei zu machen. Verdrängt werden solle niemand. "Wir wollen die Neubauten sukzessive in einem Prozess von 20 Jahren errichten", sagt Jörg Drefers von der Hansa-Grundstücksverwaltung.

Doch Anlass zu Misstrauen gibt den Bewohnern der Wulffschen Siedlung die Vorgehensweise. Von den Neubau-Plänen erfuhren sie im vergangenen Juni. "Da waren die Planungen aber schon zwei, drei Jahre im Gange", berichtet Michael Kuckhoff, Sprecher von "Stoppt Langenhorn 73". Die Eigentümer-Familien Haas, Rickertsen und Pisani holten sich 2010 die GWG-Unternehmensgruppe aus Stuttgart als Partner ins Boot. Hauptgesellschafter der GWG ist die R+V Versicherung.

Die bisherigen Gespräche mit Grundstücksverwaltern und Lokalpolitikern liefen aus Sicht der Initiative nicht zufriedenstellend. Doch inzwischen wollen Eigentümer wie Politik Zugeständnisse machen. Erwogen wird eine geringere Geschosszahl und damit eine geringere Gebäudehöhe. "Eventuell kann man auch noch mal ganz neu planen", sagt Gebhard Kraft von der Langenhorner CDU. Auch SPD-Bezirksfraktionschef Thomas Domres kann sich eine Veränderung des Bebauungsplans vorstellen.

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10 Kommentare

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  • JW
    Jens Waßmann

    Lieber Peter,

     

    es ist in Ordnung, wenn Sie einen "normalen" Mietpreis, was auch immer das heißen mag, zahlen möchten, z.B. 10,- Euro pro Quadratmeter ?

     

    Bitte nicht nur an sich selbst, sondern auch an die jetzigen z.T. langjährigen, Mieterinnen und Mieter denken, die derartiges nicht mal so eben ohne weiteres aufbringen können.

  • P
    peter

    in energietechnischen wahnsinn zu wohnen schein viele leute nicht interessieren. wir sind eine 3 köpfige familie die seit langer zeit einen bezahlbaren wohnraum suchen. ich würde mich über einen neubau and er stelle freuen.

    energietechnisch auf dem neuesten stand, barrierefrei und mit einer vernünftigen aufteilung. eben kein schrott aus den 40ern (2,5zi bei 50qm). und dafür bin ich auch bereit einen "normalen" mietpreis zu zahlen. das was da im moment verlangt wird entspricht halt dem bauzustand.

  • PB
    Patrick Batem

    @ Lina Restorp

     

    Vor allem rentieren sich die Renovierungen für den Vermieter nicht, wenn er mit Neubauwohnungen pro qm ungefähr das Doppelte an Miete einnimmt.

     

    "Charakter, Liebenswürdiges Wohnumfeld verbunden mit hohen energetischen und ästhetischen Standards" sind nicht für jeden bezahlbar. Auch Menschen mit einem niedrigen Einkommen sollten sich Wohnungen leisten können, ohne zum Sozialfall zu werden.

     

    Bei Ersatz von niedrigpreisigen Altbestand zu Neubau kommt es zu einer Erosion bei den Mieten. Es sind auch 500 billige Wohnungen weniger bei der Berechnung des Mietenspiegels!!!!

  • JW
    Jens Waßmann

    Liebe Lina Restorp,

     

    das vermieterseitige Interesse an Investitionen wird nicht geleugnet. Gleichwohl besteht für die Mieterinnen und Mieter Bestandsschutz, d.h., Schutz bezüglich des Bestandes der Mietverhältnisse und des Erhaltes der angemieteten Wohnung. Die vermieterseitigen Interessen finden da ihre Begrenzung. Die unterschiedlichen Interessen müssen abgwogen und zum Ausgleich gebracht werden.

     

    Stadtentwicklung hat behutsam und sozialverträglich zu sein !

  • LR
    Lina Restorp

    Wenn ich eine Wohnung miete, genieße ich den umfassenden Schutz des Mietrechts.

    Einen absoluten Schutz auf Lebenszeit gibt es aber nicht.

    Das kann man auch keinem Vermieter zumuten.

    Der Vermieter möchte investieren.

    Damit sichert er sich langfristig den Wert seines Besitzes.

    Ein Vermieter hat eine große Verantwortung.

    Auch ich wünsche mit, dass diese auch wahrgenommen wird.

    Charakter, Liebenswürdiges Wohnumfeld verbunden mit hohen energetischen und ästhetischen Standards wären wünschenswert. Keine seelenlosen Betonklötze, wie der Schrott, der sich Krohnstieg-Center nennt oder die Trümmer am Diekmoorweg.

     

    Es ist aber absolut glaubwürdig, wenn der Vermieter damit argumentiert, dass sich eine energetische Sanierung der bestehenden Gebäude nicht rechnen würde: Die hohen Kosten wäre kein Mieter bereit zu tragen.

  • JW
    Jens Waßmann

    Lieber Moritz Raane,

     

    bitte nicht am Kern des Themas vorbeiargumentieren !

     

    Welche Perspektive des weiteren sicheren Wohnens zu akzeptablen Mieten werden die jetzigen, zum Teil langjährigen Mieterinnen und Mieter, haben ? Bleiben die jetzigen Mietverhältnisse und Wohnungen bestehen ? Gibt es insoweit Bestandsschutz ?

     

    Diese wesentlichen Fragen der in der Wulffschen Siedlung langjährig wohnenden Menschen beantworten bislang weder Sie, noch die Eigentümer und Investoren und leider auch nicht die Politik !

  • PB
    Patrick Batem

    Derzeit kostet eine 2,5 Zimmerwohnung (52 qm) bei Neuvermietung 369 Euro zuzüglich Nebenkosten. Das können sich auch Geringverdiener leisten für die größere Wohnungen unbezahlbar sind.

  • MS
    Max Schulz

    @Moritz Raane

     

    Recht viele Mieter sind in den Häusern alt geworden und wollen dort älter werden Es ist eine absolut studentische Sicht, Wohnungen nur als Übergang zu benutzen, um dann mit mehr Kohle in die schicken Innenstadtbezirke zu ziehen.

     

    Es muss weiterhin auch kleine bezahlbare Wohnungen in Langenhorn geben.

     

    Was spricht dagegen, die Wulffsche Siedlung so zu sanieren, dass dort auch in 20 Jahren die Energiekosten bezahlt werden können.

     

     

    Mir fallen im Übrigen wenig "drängendere Probleme" ein, als für bezahlbaren Wohnraum zu streiten.

     

     

     

    P.S: 40 Prozent unbebaute Fläche hat auch Kirchdorf Süd zu bieten (das ist kein Maßstab)

  • MR
    Moritz Raane

    Der Charakter wird sich natürlich verändern. Aber das ist in einer Großstadt wie Hamburg doch auch ganz normal.

    Es geht schlicht darum, dass neue, zukunftsfeste Wohnungen gebaut werden. Wohnungen, die auch für Familien mit Kindern geeignet sind. Wohnungen, bei denen man sich auch in 20 Jahren noch die Heizkosten leisten kann.

    Und es geht um eine moderate Nachverdichtung. Die 800 Wohneinheiten sind längst vom Tisch. Im Gespräch sind nunmehr etwa 650.

    Die SPD hat längst signifikante Änderungen im Plan-Entwurf auf den Weg gebracht bzgl. Gebäudehöhe und Bebauter Fläche. 40 Prozent des Grundstückes bleiben unbebaut, Grünflächen sind also mehr als reichlich vorgesehen.

    Außerdem sind es überwiegend die Eigentümer, der umliegenden Reihenhäuser, die sich gegen jegliche Neubebauung engagieren. Die Mieter selber sehen das überwiegend viel gelassener. Die meisten wollen in den Wohnungen ohnehin nicht alt werden, nutzen sie nur als billige Unterkunft auf Zeit.

    Also nur ein Sturm im Wasserglas. Es gibt drängendere Probleme in unserer Stadt!

  • MS
    Max Schulz

    Warum äußert sich die GAL nicht? Die wollen doch durch so genannte Nachverdichtung die gesamten grünen Vororte verschandeln. Langenhorn steht für bezahlbares Wohnen im Grünen - teilweise mit dem städtebaulich erhaltenswerten Gartenbau. Es wäre wunderbar und sozial. wenn es so bleiben würde,

     

    Das G in GAL steht offenbar für Genrididingbums