Kampf gegen Sexismus: "Schlampen-Marsch" in Neu-Delhi
Was in Toronto oder Boston für Aufmerksamkeit gesorgt hat, geht auch in Indiens Hauptstadt. Hunderte AktivistInnen beteiligten sich an einem "Schlampen-Marsch" gegen sexuelle Belästigung.
NEU-DELHI dapd | Aus Protest gegen sexuelle Belästigung von Frauen sind in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi am Sonntag einige hundert Aktivisten in einem bunten Marsch durch die Straßen gezogen. Die Demonstration war die jüngste in einer als "SlutWalk" ("Schlampen-Marsch") bekannt gewordenen internationalen Protestreihe, die in der kanadischen Stadt Toronto ihren Anfang nahm. Auslöser war dort die Bemerkung eines Polizisten, wonach Frauen es vermeiden könnten, vergewaltigt zu werden, in dem sie sich nicht wie "Schlampen" kleideten.
Auch in der indischen Gesellschaft ist trotz der raschen Modernisierung in den vergangenen Jahren die Ansicht weitverbreitet, dass eine freizügig gekleidete Frau sich über sexuelle Übergriffe nicht zu wundern brauche. Anzüglichkeiten oder Begrapschen in der Öffentlichkeit sind gang und gäbe. Einer Untersuchung der Vereinten Nationen zufolge haben 85 Prozent der Frauen in Neu-Delhi beim Verlassen ihres Hauses Angst vor sexuellen Übergriffen.
Mit Aufschriften wie "Das Denken muss sich ändern, nicht die Kleidung" oder "Unsere Leben, unsere Körper, unsere Rechte" versuchten die etwa 500 Demonstranten, von etwa ebenso vielen Journalisten und Fotografen begleitet, bei ihrem Marsch durch die Stadt auf die Problematik aufmerksam zu machen. "Ich denke, Delhi braucht einen solchen 'SlutWalk' mehr als jede andere Stadt", sagte die 19-jährige Studentin Umang Sabharwal. Der Grund dafür, dass so viel passiere, sei vor allem der, dass jeder es zu akzeptieren scheine.
Zahl der Sexualverbrechen in Neu-Delhi sehr hoch
In einem Versuch, die Zahl der Vergewaltigungen einzudämmen, hatten die Behörden von Neu-Delhi vor zwei Jahren begonnen, Polizeiwachen zunehmend mit weiblichen Polizistinnen zu besetzen, um Frauen das Anzeigen von Sexualverbrechen zu erleichtern. Nationalen Statistiken zufolge ist die Zahl der Vergehen in der Hauptstadt doppelt so hoch wie im Rest des Landes.
Im Vergleich zu den bisherigen "SlutWalks" in Toronto und in Boston, wo viele Frauen nur in Unterwäsche gekleidet durch die Straßen zogen, verlief die Protestaktion in Neu-Delhi eher ruhig und beschaulich. Angesichts der noch immer überwiegend konservativen Wertvorstellungen in Indien trugen die meisten Teilnehmerinnen Jeans und T-Shirts. "Wir marschieren für einen bestimmten Zweck und sind so gekleidet, wie wir jeden Tag herumlaufen", sagte Sabharwal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn