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Kamerad Zufall als wichtigster Partner

■ Der Leiter des Berliner Amtes für Lebensmittelüberwachung, Eckard Ripke, zur Kontrolle von Fleisch / 30 bis 50 Prozent der Ware werden bei Überprüfungen beanstandet / Die Berliner Statistik ist ...

Die Hamburger Verbraucherzentrale hat kürzlich in 148 Supermärkten und Kaufhäusern Fleischtests durchgeführt, darunter auch in Berlin. Bei dem Ergebnis könnte einem speiübel werden: 80 Prozent der entnommenen Proben hätten nicht mehr verkauft werden dürfen, knapp ein Viertel war völlig verdorben oder mit Fäkalbakterien verseucht. Dazu ein Gespräch mit dem Leiter des Berliner Amtes für Lebensmittelüberwachung, dem Mediziner Eckard Ripke.

taz: Herr Ripke, inwieweit kann das Testergebnis der Hamburger Verbraucherzentrale auf das in Berlin zum Verkauf angebotene Fleisch übertragen werden?

Eckard Ripke: Aus unserer Überwachungspraxis wissen wir, daß bei den planmäßig entnommenen Proben zehn Prozent beanstandet werden. Das gilt aber für alle Lebensmittel, nicht nur für Fleisch. Bei den unter einem bestimmten Verdacht entnommenen Proben beläuft sich die Beanstandungsquote auf 20 Prozent. Insbesondere bei gezielten Aktionen der Probeentnahme, vor allem bei Fleischerzeugnissen, haben wir auch Beanstandungsquoten von 30 und 50 Prozent. Insofern überrascht mich das Ergebnis nicht, weil ich unterstelle, daß hier verhältnismäßig gezielt in den Warenkorb gegriffen worden ist. Bei uns tauchen die Lebensmittel, die schon bei Inaugenscheinnahme verdorben wirken, in der Statistik jedoch nicht mehr auf. Sie werden vor Ort von unseren Kontrolleuren aussortiert.

Demnach müßte man diese Waren noch zu den 30 bis 50 Prozent hinzurechnen?

Ja. Insofern würde sich das Ergebnis rundherum erhöhen.

Der Ausspruch „oben hui und unten pfui“ gilt also auch für Berlins Ladentische?

Deswegen ist eine gezielte, ständige Kontrolle mit fachlichem Personal ja auch so notwendig.

Wie viele Kontrolleure gibt es in der Stadt, und wie arbeiten sie?

In den 23 Bezirken sind jeweils rund zwei Tierärzte und drei bis vier Lebensmittelkontrolleure tätig. Sie besuchen die Betriebe in Zivil, vor allem aber ohne Ankündigung: Der wichtigste Partner bei der Überwachung ist der Kamerad Zufall.

Wie oft werden die einzelnen Geschäfte kontrolliert?

Bei Fleischgroßmärkten ist eine tägliche Überprüfung vorgesehen, bei Wochenmärkten und ähnlichem wöchentlich und bei Fleischereibetrieben etwa viermal im Jahr. In der Praxis ist es aber so, daß man die zu überwachenden Betriebe bald kennt und weiß, welche davon hygienisch nicht intakt sind. Bei denen darf sich der Beamte natürlich nicht an der Vorgabe der Mindestüberwachung festhalten, sondern muß sie häufiger aufsuchen.

Kann man in Berliner Supermärkten noch unbedenklich Fleisch kaufen?

Ich will es mal so sagen: Ich vermute, daß der Unternehmer seine Ware weiterhin verkaufen will und somit ein Interesse hat, ordentliche Dinge zu liefern.

Was passiert einem Geschäftsinhaber, bei dem verdorbene Waren gefunden werden?

Das kann vor Gericht mit einer Vorstrafe enden, zum Beispiel im Hackfleischbereich. Daß einmal die Konzession entzogen worden ist, ist mir nicht bekannt. Aber ein Betrieb, bei dem Beanstandungen waren, steht natürlich unter einer ganz besonders kritischen Überwachung. Wenn die Unternehmer wissen, daß hart und scharf kontrolliert wird, löst das in der Regel einen erzieherischen Effekt aus. Deshalb meine ich auch, an dieser Art von Verbraucherschutz darf nicht gespart werden.

Ist Fleisch ein besonders sensibles Lebensmittel?

Fleisch ist ein idealer Nährboden für Erreger. Eine kleine Kontamination mit Mikroben kann sich rasant vermehren, wenn die Kühlkette nicht richtig eingehalten wird. Es kann durchaus sein, daß man aus dem Schlachthof ein einwandfreies Stück Fleisch bezogen hat, das zu Recht für verkehrsfähig erachtet worden ist. Aber wenn es nicht unter hygienischen Bedingungen transportiert wird, vermehren sich die weniger Erreger sehr schnell, und es verdirbt.

Wo kaufen Sie Ihr Fleisch?

Bei einem Filialunternehmen. Das heißt, nicht ich kaufe ein, sondern meine Frau, die durch das lange Zusammenleben mit mir natürlich sehr kritisch ist. Interview: Plutonia Plarre

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