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Kambodscha an einem toten Punkt angelangt

■ Vietnamesische Truppen konnten nicht ersetzt werden / Guerilla macht nationaler Armee schwer zu schaffen

Phnom Penh (ips)- Trotz der Entscheidung der Vereinigten Staaten, dem kambodschanischen Widerstand die Unterstützung zu entziehen, leidet das südostasiatische Land unter heftigen Guerilla-Attacken. Der Abzug der vietnamesischen Truppen vor etwa einem Jahr hat eine schwer zu füllende Lücke hinterlassen, der Regierungsarmee fehlt es an Soldaten und Ausrüstung. „Dieses Jahr mußten wir selbst Waffen kaufen“, erklärt Verteidigungsminister Tea Banh. Tausende Dörfer in ländlichen Regionen sind durch die Kämpfe verwüstet und von ihren Bewohnern verlassen. An die 100.000 Menschen suchen in Flüchtlingslagern nahe den Provinzhauptstädten Zuflucht.

Seit Jahresbeginn sind die Guerillas der Widerstandskoalition mutiger geworden. Sie dringen tiefer ins Landesinnere ein und entfernen sich aus der Sicherheit ihrer Stützpunkte an der thailändischen Grenze. Waren in dem seit elf Jahren andauernden Bürgerkrieg früher isolierte Dörfer ihr Hauptziel, werden jetzt auch dicht bevölkerte Bezirks- und sogar Provinzhauptstädte häufig angegriffen.

„Es gibt keine vietnamesischen Panzer mehr, um die Guerilla zu stoppen“, meint Pen Sambo, Chef des Bezirks Oral in der Provinz Kampong Spoe, die letzten Juli schwer attackiert wurde. Die Roten Khmer, die stärkste Organisation in der Koalition, haben ihren Rückhalt in der Oral-Bergkette, erklärt der Bezirkschef. Dieser Gebirgszug grenzt an die Provinzen Kampong Spoe, Pursat, Kampong Chnang und Kampong Cham und erleichtert den Regierungsgegnern den Aufmarsch ihrer Truppen.

Dennoch scheint das militärische Kräftemessen an einem toten Punkt angelangt: „Die Regierungskräfte verfügen vielleicht über zu wenig Truppen, um das ganze Land abzudecken, aber die Guerillas sind in der gleichen Lage. Sie können Städte, die sie erobern, nicht halten“, erklärt ein osteuropäischer Militärattache.

Drastisch verschärft werden durch den Krieg allerdings die Wirtschaftsprobleme. Schon letztes Jahr stieg die Inflation in Kambodscha auf 600 Prozent. Unter ernsthaften Versorgungsproblemen leidet vor allem die Bevölkerung der ländlichen Gebiete, immer mehr Menschen „kommen vom Land in die Stadt, wo sie als Bettler enden“, wie ein Angehöriger einer internationalen Hilfsorganisation erzählt.

In der Hauptstadt Phnom Penh herrscht eine unwirkliche Abenteurer-Atmosphäre. Feilgeboten wird hier alles, vom Bergwerk bis zum Fünf-Sterne-Hotel oder der Pilgerfahrt, die Araber für die muslimische Minderheit organisieren. Ungeachtet der Ausgangssperre ab 21 Uhr drängen sich die Nachtschwärmer in den Discotheken. Der Boom wird jedoch künstlich durch den Schwarzmarkt und Überweisungen von Kambodschanern in Übersee angeheizt. In Wirklichkeit hätten die „Arbeitslosigkeit, die schlechten Lebensbedingungen und die Rekrutierung durch das Militär“ viele junge Menschen aus dem Land vertrieben, klagt eine Kambodschanerin, deren Sohn sich in einem Flüchtlingslager auf der indonesischen Insel Galang befindet. Allein in den letzten drei Monaten sind mehr als tausend kambodschanische Boat-People an den Stränden Malaysias, Indonesiens und Thailands gelandet, einige sind gar bis nach Australien gekommen.

Verschärft wird die Unsicherheit um die Zukunft Kambodschas noch durch eine Säuberungswelle unter Regierungs- und Politbürokreisen. So wurden im Juli ein Minister und zwei Mitglieder der Nationalversammlung sowie drei Funktionäre verhaftet. Ihnen wurde vorgeworfen, eine neue politische Partei und einen Putsch gegen die Regierung geplant zu haben. Die täglichen Regierungsgeschäfte scheinen unterdessen von Chea Sim übernommen worden zu sein, dem Vorsitzenden des Staatsrates und „zweiten Mann“ nach Präsident Heng Samrin.

Amina Rahman

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