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Kalter Badespaß „Mit dem Kopf unter Wasser fliegt einem alles weg“

Berlin hat kein Geld mehr für beheizte Becken – und die kalten Mainächte machen es noch schlimmer: Viele bleiben den Sommerbädern vorerst fern.

Schwimmer ziehen im Prinzenbad ihre Bahnen Foto: dpa

BERLIN taz | Ein frischer Wind geht durchs Sommerbad. Ungewöhnlich kalt waren im Mai viele Nächte. Die Sonne scheint, aber es dauert, bis sich das Wasser in den Becken erwärmt. Die Schwimmergemeinde des Prinzenbads in Kreuzberg kann sich deshalb glücklich schätzen: Das Sportbecken im hinteren Teil der Anlage wird beheizt. 22 Grad zeigt die Anzeigetafel am Eingang. Das Publikum ist zufrieden, lachende, gerötete Gesichter in der Cafeteria sind Ausdruck davon. Auch für die, die sich bei 17 Grad im nicht geheizten Terrassenbecken den Kick geben wollen, ist gesorgt.

Ganz anders im Olympiabad. Das große Schwimmerbecken, 50 Meter lang und 21 Meter breit, ist gähnend leer. Das gleichfalls sehr beliebte Bad, besser gesagt dessen Gäste, sind Opfer der Sparpolitik des Senats geworden. Nur in drei von 14 Sommerbädern wird das Beckenwasser wie früher mithilfe von fossiler Energie und Unterstützung durch Solarabsorber-Anlagen auf 22 Grad erwärmt. Spätestens Anfang Juni leiste die Sonneneinstrahlung dann einen guten Beitrag zur Erwärmung des Wassers, fanden die Berliner Bäder Betriebe (BBB) zu Saisonbeginn tröstende Worte.

Das Olympiabad gehört zu den Bädern, die nicht beheizt werden. Morgens um 7 Uhr betrage die Wassertemperatur 16 Grad, erzählt Stammschwimmer Ralf Wendling. Gemessen werde zudem nur am Rand, mittendrin sei es noch kälter. „Mit dem Kopf unter Wasser fliegt einem alles weg“, beschreibt er das Gefühl. Früher sei er viermal in der Woche gekommen, sein Pensum: 1.000 Meter in 30 Minuten. Jetzt schaffe er allenfalls 200 Meter, sagt Wendling – Füße und Hände, alles eiskalt.

„Ich bin kein Warmduscher“, versichert der Mann, „aber eine gewisse Grundtemperatur muss sein.“ Er denke da auch an Kinder und Ältere. Mit einer Petition, die seinen Angaben zufolge inzwischen rund 3.200 Leuten unterschrieben haben, will Wendling erreichen, dass die Wassertemperatur in allen Sommerbädern wieder auf die alte Temperatur erwärmt wird. Im Neoprenanzug zu schwimmen, wie man es immer öfter sieht, sei für ihn keine Alternative, sagt er. „Da fühlst du dich wie ein Teletubby, und kein Vitamin D kommt an die Haut.“

Schwimmen wird zum Luxus

Die Ankündigung, nur noch einzelne Sommerbäder zu beheizen, war mit einer Preiserhöhung verbunden worden. Bäder mit besserer Ausstattung sind fortan teurer. Wie eine Zweiklassenpolitik mutet das Ganze an. Schwimmen, eigentlich ein Breitensport und Teil der Daseinsvorsorge, wird zum Luxus.

Das beliebte Sommerbad Wilmersdorf in der Forckenbeckstraße gehört zu den Bädern, die ein beheiztes Becken haben. Auf Nachfrage am Eingangstor erfährt man, dass es sich dabei um das Kinderbecken handelt. Zumindest am Nachmittag unter der Woche ist von Kids aber kaum eine Spur. Dafür versuchen ein paar Erwachsene im flachen Wasser ihre Bahnen zu ziehen. Das große Sportbecken, gerade erst in mehrjähriger Bauzeit mit einer neuen Stahlwanne versehen, ist fast leer. Nur ein Mann im Neoprenanzug krault durch das glitzernde Nass. Das Aufsichtspersonal schaut zu. Was soll es auch sonst machen?

Leute, die in der Forckenbeckstraße vor oder nach der Arbeit schwimmen gehen wollen, haben keine Chance mehr. Das Bad hat laut Anordnung der Bäder-Betriebe derzeit nur von 9 bis 17 Uhr auf. Ab dem 19. Mai wird dann von 9 bis 20 Uhr geöffnet.

Auf die Frage, ob es Überlegungen gebe, die Maßnahmen rückgängig zu machen, verweist Bädersprecherin Claudia Blankennagel am Mittwoch auf den Sparbeschluss des Landes. „Wir erhalten 3 Millionen Euro weniger für Energiekosten.“ Einen starken Besucherrückgang will sie nicht bestätigen. Das Betreiben von Sommerbädern sei stark wetterabhängig. Im Mai 2024 habe es im gleichen Zeitraum bereits zwei Tage mit Lufttemperaturen über 25 Grad gegeben. Im diesjährigen Monat sei es vor allem morgens noch sehr kalt. Bezüglich der reduzierten Temperaturen habe die BBB vor allem vor Saisonbeginn viel Kritik erreicht. „Die hat sich nun etwas gelegt.

Zurück ins Prinzenbad. „War schon sieben Mal dort“, schreibt ein taz-Kollege – „und find’s wunderbar“. Er sei aber auch im angenehmen 21 Grad-Becken. „Habe das Gefühl, dass die Bah­n­en­schwim­me­r*in­nen nicht aufbegehren, weil sie sich klammheimlich über weniger Andrang freuen.“

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