piwik no script img

Archiv-Artikel

Kalte Kita-Füße

9.000 demonstrieren gegen Kita-Gesetz. Selbst Behördengutachter sieht „erhebliche Rechtsunsicherheit“. CDU stimmt trotzdem zu

Von Kaija Kutter

„Ole, Bildung braucht Kohle“ skandierten gestern über 9.000 Eltern, Kinder und ErzieherInnen auf einem Demonstrationszug vom Hauptbahnhof zum Rathausmarkt. Vorneweg die 800 Hausarbeiterinnen der städtischen Vereinigung. „Wir sagen Nein zu den größten Kita-Einsparugen aller Zeiten“ und „Keine Rechtsbeugung auf Kosten der Kinder“ stand auf den Transparenten in Anspielung auf das heute zur Abstimmung gestellte Kita-Einführungsgesetz (EG-KibeG), das Einsparungen bis zu 85 Millionen Euro ermöglichen soll.

Wie erwartet, beschloss die CDU-Fraktion am Montagabend, dem Gesetz in der heutigen Sitzung der Bürgerschaft zuzustimmen, obwohl es zwei Gutachten gibt, die dessen Rechtswidrigkeit bescheinigen. „Die Fraktion geht von der Rechtmäßigkeit des durch die Behörde erstellten Gesetzentwurfs aus“, heißt es in einer Erklärung. „Unterschiedliche juristische Ausfassungen“ seien bei kontrovers diskutierten Gesetzen durchaus „nicht ungewöhnlich“.

Allerdings dürften die CDU-Abgeordneten bei der Lektüre der zwei jetzt veröffentlichten Gutachten des Behördenberaters Fritz von Hammerstein kalte Füße bekommen. Bereits in seinem ersten Gutachten von 21. Juli spricht von Hammerstein von neuen, durch das EG-KibeG „aufgeworfenen Rechtsfragen“, die offen blieben. In seiner zweiten Expertise vom 20. Oktober schreibt er gar von erheblicher „Rechtsunsicherheit“, die damit einhergehe, dass es zum Thema bisher kaum Gerichtsentscheidungen gebe. „Das vorliegende Gutachten gibt die Rechtsauffassung der Verfasser wieder. Eine Vorhersage über den Ausgang etwaiger gerichtlicher Auseinandersetzungen wird damit nicht getroffen“, sichert von Hammerstein, von Haus aus kein Jugendhilfeexperte, im Vorwort ab. Er geht davon aus, dass die Stadt zur Erfüllung des Kita-Rechtsanspruchs genügend Plätze bereitstellen muss. Hier sieht er ein „latentes Risiko“, dem nicht durch Landesgesetz abgeholfen werden könne, dass Träger sich ab Januar weigern, dies zu tun.

Relativ sicher ist sich von Hammerstein hingegen, dass es der Stadt möglich sei, die durch den vereinbarungslosen Zustand entstandenen Finanzierungslücken auf die Eltern abzuwälzen (taz berichtete). Hier hält er offenbar – sofern zeitlich befristet – auch eine Art zweiten Elternbeitrag für denkbar, der zwischen den Kita-Trägern und Eltern privat vereinbart wird und von dem nur Eltern entlastet werden, die vom Sozialhilfesatz leben. Ein Szenario, dass politischer Sprengstoff ist.

„Es gibt kein Gutachten, das die CDU mit ihrem Kita-Gesetz rechtlich absichert“, fasst die SPD-Abgeordnete Andrea Hilgers zusammen und fordert erneut die Herausgabe des Gutachtens von Christian Bernzen. Nach taz-Informationen liegt es auch der Behörde seit einer Woche vor, wird aber zurückgehalten, um diesen Kritiker bis zur heutigen Abstimmung in der Bürgerschaft mundtot zu machen.